Die 47-Jährige arbeitet seit 2002 im Kreißsaal und weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, einen Verlust zu begreifen. „Jede zweite bis dritte Frau hat schon eine Fehlgeburt erlitten“, erzählt sie. Die Betroffenen sprechen meistens nicht darüber. Um dies innerhalb der Familie verarbeiten zu können, sei es jedoch wichtig, dass Geschwisterkinder mit einbezogen werden. Darum gebe es auch eigens dafür gestaltete Bücher.
Im Klinikum werden Eltern auf diesem Weg nicht allein gelassen. Das Kreißsaal-Team begleitet die Familien während der Geburt ihres Sternenkindes und schafft Raum für persönliche Abschiedsrituale. „Für viele Eltern ist es wichtig, ihr Kind zu sehen, zu berühren oder im Arm zu halten. Das kann ein zentraler Schritt in der Trauerarbeit sein“, erklärt Nasarek. Sie möchte da sein, für Menschen, die um ein Sternenkind trauern.
Seit Anfang des Jahres verstärkt Anne Wirth als neue Krankenhausseelsorgerin das Team und steht den Familien für Gespräche oder stille Begleitung zur Seite – unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Ihr liege vor allem eine würdevolle Bestattung am Herzen, sagt die 46-Jährige.
Oft erleben Mütter und Väter mit dem Verlust des eigenen Kindes eine tiefe Trauer, die ein Leben lang andauern kann. „Umso wichtiger ist ein Ort, an dem die Eltern um ihre verlorenen Kinder trauern können“, sagt die Krankenhausseelsorgerin.
Auf dem Gehrdener Friedhof an der Levester Straße gibt es seit 2004 eine von der Stadt eingerichtete Begräbnisstätte für Kinder, die im Mutterleib oder kurz nach der Geburt gestorben sind. Dort werden die Sternenkinder anonym beigesetzt. Einmal im Jahr wird an dieser Stelle eine Gedenkfeier abgehalten. „Dieser Ort des Erinnerns schafft Verbundenheit. Er zeigt: Niemand geht diesen Weg allein“, betont Anne Wirth. Damit Eltern nicht so lange warten müssen, setzt sie sich für einen zweiten Termin in Gehrden ein. Ab einem Geburtsgewicht von 500 Gramm oder ab der 24. Schwangerschaftswoche besteht Bestattungspflicht. Doch auch kleinere Kinder können einzeln oder im Familiengrab beigesetzt werden. Alternativ bietet das Klinikum die Möglichkeit einer Gemeinschaftsbestattung.
„Wir begleiten alle Sternenkinder ab der 15 Schwangerschaftswoche“, sagt Nasarek. Es seien gleich viele Kinder, die im Mutterleib versterben wie Schwangerschaften, die aufgrund von Erkrankungen, etwa genetischen Auffälligkeiten wie Trisomien oder schweren Fehlanlagen wie ohne Nieren oder einem fehlenden Gehirn, vorzeitig beendet werden.
Auch wenn die Betreuung einer „stillen Geburt“ Teil der Ausbildung sei, bleibe sie eine der emotional schwersten Aufgaben. „Wir versuchen, Ruhe und Sicherheit auszustrahlen, auch wenn wir innerlich tief berührt sind“, sagt Nasarek. Der Kontakt zu den Eltern erfolge stets behutsam. „Jede Familie trauert anders, und wir gehen diesen Weg mit“, fügt sie hinzu.
Manche Eltern möchten ihr Baby sehen, es halten oder waschen. Andere könnten das nicht. Erinnerungsstücke zu schaffen, sei für sie eine Herzensangelegenheit. So werde von jedem Kind ein Hand- oder Fußabdruck genommen, manchmal auch eine kleine Locke aufbewahrt. „Wir tragen jedes Sternenkind ein Stück weit im Herzen“, betont sie leise.
Unterstützung finden Eltern auch durch verschiedene Formen der Trauerarbeit wie Selbsthilfegruppen oder Gespräche mit Fachpersonen. Die Initiative „Dein Sternenkind“ vermittelt ehrenamtliche Fotografen und Fotografinnen, die auf Wunsch würdige Erinnerungsbilder anfertigen. Auch der Verein „Leere Wiege – tröstende Begleitung für Eltern“ ist seit Beginn des Jahres am Gehrdener Klinikum aktiv tätig. Der Verein begleitet früh verwaiste Eltern aus Hannover und Umgebung kostenfrei und einfühlsam.
In der 14-tägigen Selbsthilfegruppe finden Mütter und Väter Halt im ersten Trauerjahr und darüber hinaus. „Wir möchten Eltern einen geschützten Raum geben, in dem Sorgen, Liebe und Schmerz Platz haben“, sagt Vorstandsvorsitzende Anne Gast. Der Verein kooperiert eng mit Kliniken und Fachpersonal. Anne Gast ist immer tief berührt, wenn Teilnehmende sich zum Abschied bedanken und sagen: „Sie haben mir durch die dunkelsten Stunden geholfen. Ohne Sie wäre ich verloren gewesen.“