Beckes sechsjähriger Sohn ist von Geburt an gehörlos, im Alltag kommuniziert er mit seinen Eltern Patrick und Friederike sowie mit seiner vierjährigen Schwester in Gebärdensprache. Die Namen der Kinder möchte Becke nicht nennen.
Vor der Geburt seines Sohnes habe er noch nichts über Gebärdensprache gewusst – wie so viele andere Menschen auch. „Mit dem Buch möchte ich vermitteln, dass es gar nicht so schwer ist, sie zu lernen“, erzählt der 34-Jährige.
Als nach der Geburt eine Gehörlosigkeit diagnostiziert wurde, sei schnell klar gewesen, dass sein Sohn eine besondere Förderung benötigt. „Das stellte sich für uns die Frage: Wie spreche ich mit jemandem, der seinen Namen nicht hören kann?“, erinnert sich der Vater. Die Lösung lag nah – Gebärdensprachkurse.
Bei einem ebenfalls gehörlosen Dozenten aus Hildesheim nahm die Familie Unterricht im Gebärden. „Davon haben wir alle profitiert“, sagt Becke und betont: „Wir sind super dankbar.“ Deshalb widmete die Familie das Buch dem Dozenten – „Für Jörg“ steht auf der ersten Seite.
Der Erfolg im Gebärden stellte sich bei den Beckes schnell ein. Auch die vierjährige Tochter begleitete ihr Eltern von Anfang an zu den Kursen. „Sie hat früher angefangen zu gebärden als zu sprechen“, sagt der Vater. Eine Bereicherung für die ganze Familie. „Im Gegensatz zu anderen Sprachen kann man in der Gebärdensprache viel schneller kommunizieren“, erklärt Patrick Becke. Im Zweifel könne man nämlich schnell auf das Fingeralphabet zurückgreifen. Dort ist für jeden Buchstaben das entsprechende Handzeichen abgebildet.
Um ihren Sohn im Alltag zusätzlich zu unterstützen, installierte der Vater im gesamten Haus LED-Leisten, die aufleuchten, wenn jemand den Raum betritt. So sehe sein Sohn immer, wenn sich ihm Personen nähern.
Außerdem kann die Familie per Knopfdruck Signale streuen, die auf fertiges Essen oder piepende Rauchmelder hinweisen.
„Die Idee zum Buch kam mir, weil unsere Tochter gerne Geschichten vorgelesen bekommt, in denen Kindern etwas erklärt wird“, erzählt Becke. Auch die beliebten Conni-Bücher, um das gleichnamige Mädchen mit dem rot-weißen Ringelpulli, hätten ihn inspiriert. In seinem 24-seitigen Buch lernt Hauptcharakter Lilly die gehörlose neue Schülerin Clara kennen, die sich per Handzeichen ausdrückt. Um mit ihr zu kommunizieren, lernt die Klasse Gebärdensprache.
„Ich habe bewusst aus der Sicht eines hörenden Mädchens geschrieben, weil wir in derselben Situation waren“, betont Becke. Kinder sollen Lillys Situation nachempfinden können. Die Hauptzielgruppe seinen Vier- bis Achtjährige, aber: „Es gab auch schon positives Feedback von Erwachsenen. Sie nehmen da auch vieles mit“, freut sich der Autor. Beckes Sohn fehle noch ein wenig der Bezug zum Buch, die Tochter fände es aber „total klasse“.
Allein deshalb dürfte sich der große Aufwand schon gelohnt haben. Den ganzen Sommer über schrieb Becke an dem Buch. Für die Bilder nahm er sich Künstliche Intelligenz zur Hilfe. „Ich bin künstlerisch nicht so begabt und ein Illustrator wäre finanziell nicht möglich gewesen“, sagt er. Für das „Nischenprodukt“ erwarte er keine riesigen Einnahmen. Das sei das aber auch nicht entscheidend. „Das Buch ist ein Herzensprojekt“, stellt Becke klar.
Zu kaufen ist „Lilly lernt Gebärdensprache“ schon jetzt bei Amazon für 10,99 Euro. Unterstützt wird das Projekt durch die Kooperation mit zwei Barsinghäuser Unternehmen – der Druckerei Weinaug und dem Unternehmen CTB IT. Schulen, Kindergärten und soziale Einrichtungen können per E-Mail unter info@druckerei-weinaug.de kostenlos großformatige Poster anfordern, auf denen das Gebärdenalphabet abgebildet ist. Weinaug druckt die Poster, CTB IT übernimmt die Kosten.
„Wir sind auf die Umstände der Familie Becke durch Freunde in Barsinghausen aufmerksam geworden und haben uns dazu untereinander ausgetauscht. Wir haben Kinder in etwa im gleichen Alter und haben dann überlegt, wie man dazu beitragen kann, die Situation zu verbessern – nicht nur für Familie Becke, sondern insgesamt“, begründen CTB IT-Geschäftsführer Daniel Viebahn und Druckerei-Geschäftsführer Markus Hugo ihr Engagement.
Außerdem kümmern sich beide Unternehmen darum, dass das Buch auch in den stationären Handel gelangt. „Mit Karin Dörner vom Bücherhaus am Thie in Barsinghausen, der Buchhandlung Lesezeichen in Gehrden sowie der Buchhandlung an der Marktkirche in Hannover haben wir Partner auf unserer Seite, die das Buch anbieten werden“, sagt Daniel Viebahn. Becke findet diesen Einsatz „total klasse“. Die ersten Menschen hat er mit „Lilly lernt Gebärdensprache“ also schon erreicht.