Und das versuchen sie Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) zu vermitteln, die sich am Mittwoch durch die IGS führen lässt. In der dritten Klasse von Tanja Löffler lernen die Kinder am iPad und bearbeiten selbstständig Aufgaben. Es ist eine Hinführung darauf, wie sie später an der IGS lernen werden. Kultusministerin Hamburg lobt: „Es ist schön, dass die Kinder so früh selbstständig lernen üben.“
Doch der Rat der Stadt Gehrden hat beschlossen, die IGS-Grundschule in wenigen Jahren auslaufen zu lassen. „Wir glauben aber, dass große Schulen die Zukunft sind“, sagt Klassenlehrerin Löffler. Denn an ihrer Schule arbeiten größere Teams von Förderlehrkräften und Schulsozialarbeitern mit den Lehrkräften zusammen. Unterrichtsausfall lasse sich leichter auffangen, argumentiert Löffler.
Löffler leitet ihre Klasse gemeinsam mit Förderschullehrerin Silke Ullrich. Die beiden werden die Klasse auch nach dem Wechsel in die IGS begleiten. „Der Übergang wird für die Kinder extrem leicht. Sie kennen schon viele Lehrer und sind den Ganztagsunterricht aus der Grundschule gewohnt“, sagt Löffler.
Die IGS Gehrden setzt konsequent auf einen Unterricht, der individuelles Lernen im eigenen Tempo sowie Teamarbeit in den Vordergrund rückt. Die Klassen heißen hier „Lernbüro“, die Lehrkräfte Lernbüroleitung.
„Am Anfang waren alle überfordert. Die Schüler sollten ihr Lernen selbst planen und waren doch an den getakteten Unterricht gewöhnt“, berichtet Tana Kiroglu, Leiterin einer fünften Klasse. Die Räume der Gesamtschule, die von der sechsten bis zehnten Klasse noch eine Oberschule ist, geben das neue Lernen vor. Die herkömmliche Klassensituation ist aufgelöst.
Das zeigt sich beim Rundgang: Für einen großen, locker möblierten Raum wurden mehrere kleinere zusammengelegt. Die Schüler arbeiten allein oder in Kleingruppen am iPad, sitzen dabei auf der Fensterbank, an Tischen oder in Sofaecken. Lehrkräfte konzentrieren sich auf Schüler, die besondere Fragen haben. Der Geräuschpegel: erstaunlich gering.
„Wir geben Schülern, die vorher von allen abgeschrieben waren, individuelle Ziele vor und erzielen dabei Erfolge“, sagt Schulleiter Carsten Huge. Die Kultusministerin formuliert, was viele Eltern sich auch fragen: „Was ist mit Kindern, die sich leicht ablenken lassen?“
Für die gebe es Einzeltische oder Kopfhörer, berichtet Huge. Der Schülerrat wünscht sich aber auch dringend stille Räume, in denen nicht geredet wird. Für den Schulleiter hat das begleitete selbstständige Lernen eindeutige Vorteile. „Wir gewinnen damit Zeit, um soziale Probleme zu bearbeiten.“
Hamburg steht dem Modell positiv gegenüber. „Das ist eine echte Chance. Schüler mit Schwierigkeiten können hier Lernstrategien entwickeln, weil die Lehrkräfte Zeit haben.“ Die Kultusministerin lässt keinen Zweifel daran, dass sie das Modell dieser IGS für gelungen hält. „So sieht die Schule der Zukunft aus.“ Aus anderen Landesteilen erreichten sie häufig Wünsche nach einer Schule von der Grundschule bis zur 13. Klasse. „Deshalb erstaunt mich der Ratsbeschluss in Gehrden. Aber die Gegebenheiten vor Ort sind unterschiedlich.“
Rund 100 Fünftklässler lernen an der IGS, für das kommende Schuljahr sind 110 Kinder angemeldet – mehr Nachfrage als vorher für die Oberschule.