Die Barsinghäuser Stadtverwaltung hat Döhl längst informiert, wie vor jeder Übung. Diese setzt wiederum Polizei und Feuerwehr in Kenntnis. Handfeuerlöscher stehen parat, mit dem Sprenghorn werden Passanten gewarnt. Auch über Facebook haben die Böllerschützen ihre Übung bekanntgegeben. Hundebesitzenden rieten sie, den Bereich des Winninghäuser Wegs zu meiden. „Unsere Schaftböller wiegen zwischen sieben und achteinhalb Kilogramm. Wir schießen mit 30 Gramm Schwarzpulver in Korkenform“, sagt Döhl. Das ist schwer zu überhören.
Zum Training sind sechs Vereinsmitglieder gekommen. Auch die beiden ersten und einzigen Frauen sind dabei. „Wir sind der einzige Verein in Norddeutschland, der nur Schaftböller verwendet“, erzählt Döhl. Die Böllerschützen schießen stets in Formation. Die erste Disziplin an diesem Nachmittag ist die „Langsame Reihe“. Dabei werde der Reihe nach geschossen, erklärt der Böllerreferent, bläst zur Warnung ins Sprenghorn und erinnert alle Anwesenden noch einmal an die Ohrstöpsel.
Nicht jeder darf einfach so mit einem Böller schießen. Die Schützinnen und Schützen müssen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie die Erlaubnis nach Paragraf 27 des Sprengstoffgesetzes nachweisen. Letztere erlangen sie durch einen Lehrgang inklusive Prüfung. Die Schaftböller würden alle fünf Jahre von amtlicher Stelle geprüft, indem sie geröntgt und geschossen würden, erklärt Döhl. Auch die Bescheinigungen der Aktiven werden alle fünf Jahre überprüft, wobei beispielsweise auch Verkehrsvergehen zum Entzug der Erlaubnis führen können.
Für die „Langsame Reihe“ werden auf Ansage von Kommandant Frank Meyer die Böller in mehreren Schritten präpariert. Als dieser die Fahne schließlich über den Kopf hebt, lässt die Lautstärke des ersten Schusses alle zusammenzucken. Die Rauchwolke wird schnell vom Wind verdünnt. „Sie stinkt bestialisch“, meint Döhl, „ich erschrecke mich auch immer noch.“ Wie laut ein Schuss sei, hänge vom Böller, vom verwendeten Schwarzpulver und auch davon ab, wie kräftig das Pulver mit dem Ladeholz verdichtet werde. „Ein Gewitter ist lauter“, sagt er.
Die Calenberger üben auch mit Blick auf eine bevorstehende Böllerhochzeit, bei der sich eine Böllerschützin und ein Böllerschütze im bayrischen Bad Brückenau das Jawort geben werden. „Mit 300 Leuten werden wir dort Spalier stehen“, erzählt Döhl und freut sich auf das besondere Ereignis.
Gern denkt er an das größte Treffen zurück, an dem er und weitere Vereinsmitglieder vor einiger Zeit teilgenommen haben. Ungefähr 2000 Schützen waren damals in Bayern aktiv. „Wir standen in Reihen mit je 50 Meter Abstand. Wir waren Reihe 13″, erinnert er sich an die Formation. Und an besondere Eindrücke: Er habe den Rauch in der ersten Reihe sehen können, den Schuss aber noch gar nicht gehört.
Drei- bis viermal im Jahr machen sich die Vereinsmitglieder von Schlägel & Eisen auf den Weg zu einem Schützentreffen mit etwa 250 bis 400 Teilnehmenden. Dort kämen neben den Schaftböllern auch kleinere Handböller, die gefährlicheren Standböller und Kanonen zum Einsatz, berichtet Döhl. Anlässe seien gegenseitige Einladungen oder beispielsweise das jährlich stattfindende oberbayrische Schützentreffen mit Teilnehmern unter anderem aus Deutschland und Österreich. „Italien ist auch stark vertreten. In Holland und der Schweiz gibt es ebenfalls Böllerschützen“, ergänzt er und betont: „Wir sind wie eine große Familie.“
Böllern ist als immaterielles Kulturgut von der Deutschen UNESCO-Kommission anerkannt und wird hauptsächlich in Bayern gepflegt. Über weitere Mitstreitende würden sich die Calenberger Böllerschützen freuen, sagt Döhl. Geböllert werde mittlerweile mit Schaftböllern, die eine Mündungsöffnung von 20 Millimetern hätten. „So ein Schaftböller kostet ungefähr 1200 Euro“, sagt Döhl. Akustische Feinheit: Ein Schaftböller mit doppelt so großer Mündung hat einen schöneren, satten Bassklang. Mit mehr als 20 Kilogramm ist er allerdings auch sehr schwer – und wenn dann ein sogenannter Versager passiere, also der Schuss nicht losgehe, müsse der Böller zwei Minuten lang vom Körper weg gehalten werden, erläutert der Böllerreferent: „Das ist sehr anstrengend, aber Vorschrift, falls der Schuss doch noch losgeht.“ Bei erfahrenen Schützen komme dies aber nur selten vor.
Entstanden ist der Heimatverein Schlägel & Eisen mit seiner Böllergruppe 2012 aus dem Barsinghäuser Bergmannsverein. Dort wird mit einer Kanone aus dem Bergbau geschossen – der „Kleinen Barbara“. Sie hat ihren großen Auftritt bei der Eröffnung des Stadtfestes.