Der Sicherheitsabstand von einem Kraftfahrzeug zu einem Radfahrer sollte während eines Überholvorgangs mindestens 1,5 Meter betragen. Das ist deutlich mehr als die Breite der meisten Fahrradschutzstreifen. Doch wie breit ist das tatsächlich? Für eine neue Masterarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Hildesheim sollte das sichtbar gemacht werden. Dazu wurden rote Dreiecke mit entsprechender Höhe neben den Schutzstreifen auf die Fahrbahn der Empelder Straße gemalt. Den Autofahrern sollte damit visualisiert werden, wie groß der Abstand zu Radfahrern tatsächlich sein müsste.
Zusätzlich wurden Schilder aufgestellt, die auf das Forschungsprojekt aufmerksam gemacht haben. Gut drei Monate lang, von Ende April bis Ende Juli 2024, beobachteten die Wissenschaftler das Verhalten der verschiedenen Verkehrsteilnehmer unter den neuen, ungewöhnlichen Bedingungen. „Dazu wurden mit verschiedenen Messmethoden die Überholvorgänge vor der Maßnahme und drei Wochen nach der neuen Markierung und Beschilderung analysiert. Außerdem wurden die Überholvorgänge differenziert zwischen unsicheren, kritischen und sicheren Überholvorgängen“, erläuterte Regionssprecher Christoph Borschel jetzt rückblickend das Vorgehen.Die Empelder Straße in Ronnenberg wurde ausgewählt, weil gerade über diesen Straßenzug oft Beschwerden der Radfahrenden über zu geringe Überholabstände bei zu hohen Geschwindigkeiten geäußert wurden. Eine weitere Masterarbeit aus dem Jahr 2019 war zudem zu dem Ergebnis gekommen, dass die Überholabstände dort tatsächlich unter 1,50 Metern liegen, wie die Region zum Auftakt des Versuchs berichtete.
Die Ronnenberger Grünen sprangen bei Bekanntwerden des Versuchs sofort auf den Zug auf und forderten eine Ausweitung der Untersuchung auf die enge Straße Über den Beeken. Auf dieser weiteren Durchgangsstraße kommt es ebenfalls immer wieder zu gefährlichem Begegnungsverkehr mit Radfahrern. Dieser Vorstoß war allerdings erfolglos. Indes überzeugten die zusätzlichen Markierungen auf der Empelder Straße im weiteren Verlauf auch die anderen Ronnenberger Politiker – teils auch selbst aus eigener Erfahrung als Radfahrer. Auf Nachfrage von Volker Zahn (CDU) nach den Ergebnissen der abgeschlossenen Untersuchung musste die Verwaltung auf die Region Hannover verweisen, da es sich bei der Empelder Straße um eine Regionsstraße handelt und die Region als Baulastträger zuständig ist.
Von dort sind erste wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Versuch zu erfahren, die die gefühlten der Politiker bestätigen. „Es hat sich gezeigt, dass es einen starken Anstieg abgebrochener Überholvorgänge gegeben hat, was auf eine defensivere Fahrweise des Autoverkehrs schließen lässt“, berichtet Borschel. Außerdem seien die unsicheren Überholvorgänge um ein Drittel im Vergleich zu den Vorhermessungen zurückgegangen. Bei den kritischen Überholvorgänge hat sich eine Abnahme um 18 Prozent eingestellt.Auch diese Beobachtungen scheinen deutlich positive Auswirkungen der Dreiecke auf die Sicherheit im Begegnungsverkehr von Auto und Radfahrern zu beschreiben. Auch die Region Hannover freue sich, dass sich mit Erhöhung der Überholabstände die subjektive Sicherheit des Radverkehrs verbessert und damit ein Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geleistet wurde, stellt Borschel fest. Ein Automatismus, diese positiven Erkenntnisse in dauerhaft sicherheitsfördernde Maßnahmen umzusetzen, ergibt sich daraus aber offensichtlich nicht.
Ob eine dauerhafte Einführung solcher Markierungen infrage kommt, werde derzeit in enger Abstimmung zwischen Straßenbaulastträger und Verkehrsbehörde noch geprüft, erklärt der Regionssprecher acht Monate nach Ende des Modellversuchs, ohne weiter auf die Kriterien einzugehen, nach denen diese Prüfung erfolgt. Die allseits als sicherheitsfördernd betrachteten Dreiecke auf der Fahrbahn der Empelder Straße in Ronnenberg verblassen inzwischen schon fast bis zu Unsichtbarkeit.