„Der Damm steht immer noch“
Vor einem Jahr erlebte Holtensen einen denkwürdigen Hochwassereinsatz:
Mit dem Bau eines Damms schützten Helfer das Dorf vor den Wassermassen

Der Holtenser Damm steht immer noch: Ortsbrandmeister Björn Landeck vor dem Bauwerk, das vor einem Jahr den Ortsteil vor Schlimmerem bewahrte.Foto: privat
Holtensen. Wenn Holtensens Ortsbrandmeister Björn Landeck ein Jahr danach über den Hochwassereinsatz berichtet, klingt das gelassen. „Es sind ja alle gesund und munter geblieben“, sagt der damalige Einsatzleiter. Genau zwölf Monate ist es her, dass die Menschen in Holtensen einen denkwürdigen Großeinsatz erlebten. Der Freiwilligen Feuerwehr gelang es mit großer Unterstützung aus der Bevölkerung, das Dorf vor den steigenden Wassermassen zu schützen. Mit vereinten Kräften wurde aus mehr als 5000 Sandsäcken stundenlang ein 150 Meter langer Damm errichtet.

Der damalige Einsatzleiter Landeck räumt ein: „In dieser Größenordnung war es für mich die erste Bewährungsprobe.“ Der 34-jährige Oberlöschmeister ist erst seit zwei Jahren Ortsbrandmeister von Holtensen. Als Kommandochef der ehrenamtlichen Rettungskräfte habe er aber vor einem Jahr trotzdem die Einsatzleitung übernommen. „Ich hätte es auch einem erfahrenen Gruppenführer überlassen können, aber ich wollte eigene Erfahrungen sammeln“, sagt Landeck, der in Holtensen aufgewachsen ist.

Genügend Selbstvertrauen für verantwortungsvolle Aufgaben hat der gelernte Landmaschinenmechaniker Landeck: „Leben mit der Lage“, so laute schließlich das Feuerwehrmotto. „Ich habe schon viel erlebt“, sagt Landeck. Außerdem sei das Hochwasser vor einem Jahr nicht völlig überraschend gekommen. „Wir waren schon einen Tag vor dem Dammbau in einem überfluteten Keller im Einsatz“, erzählt er.

Weil es unaufhörlich weiterregnete, ging Landeck gleich am nächsten Morgen zum Holtenser Bach, um den Pegelstand zu kontrollieren – und mittags noch einmal. „Ich hatte Urlaub“, erzählt der ehrenamtliche Feuerwehrmann. Gegen 14 Uhr habe er Alarm für die Ortsfeuerwehr ausgelöst. Der Bach war über die Ufer getreten. Die anliegenden Häuser mussten geschützt werden.

„Zuerst haben wir das Totholz aus der Beeke geschleppt, um die Fließgeschwindigkeit zu erhöhen“, erzählt Landeck. Der Pegel sei trotzdem immer weiter gestiegen. Deshalb habe er das Ordnungsamt – als Vorgesetzten der Freiwilligen Feuerwehr – und Fachkräfte des kommunalen Bauhofes sowie des Bauamtes zu einer gemeinsamen Beratung hinzugezogen. Der erste Plan: „Wir wollten einen Abflussgraben ausheben, aber wir konnten nicht so schnell einen geeigneten Bagger besorgen“, so der damalige Einsatzleiter. Deshalb traf man eine andere Entscheidung: „Wir bauen vor den Häusern einen Schutzdamm aus Sandsäcken.“

Dann entstand eine Dynamik: „Es wurde viel telefoniert und beraten“, erzählt der Ortsbrandmeister. Die zu klärenden Fragen: „Wo bekommen wir genügend Material und Personal her?“ Auch ein Fachberater des Technischen Hilfswerkes (THW) in Ronnenberg wurde hinzugezogen. Gemeinsam fand man Antworten: Leere Sandsäcke waren in der Feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) in Ronnenberg vorrätig. Für Sand von einer nahe gelegenen Baustelle bekam die Feuerwehr ebenfalls grünes Licht. Nach Aufrufen in sozialen Netzwerken kamen auch rund 100 Freiwillige.

Bis um 23 Uhr am späten Abend waren 96 Einsatzkräfte aus sieben Ortsfeuerwehren und dem THW sowie Bauhofmitarbeiter, das Tiefbauamt und zivile Hilfskräfte damit beschäftigt, mehr als 5000 Sandsäcke zu füllen und aufzuschichten – an einer extra errichteten Stützwand aus Holz, bei strömendem Regen, nahe der Linderter Straße. Landwirte halfen mit sechs Traktoren, einem Teleskoplader, drei Anhängern und einem Radlader.

„Ich habe mich kurz gefragt, ob das alles richtig war, was ich da angezettelt habe“, so erinnert sich Landeck. Immerhin sei zu beachten: „Wer bezahlt das alles?“ Das ist inzwischen geklärt: Für den Einsatz auf Privatgrundstücken übernahm die Gemeinde die Kosten, da es sich um einen nicht selbst verschuldeten Vorfall handelte. Die Höhe der Kosten kennt Landeck nicht. Offenbar war es aber eine nachhaltige Investition: „Der Damm steht immer noch.“ Die Besitzer hätten ihn bislang nicht zurückbauen lassen.

Auch die Feuerwehr ist für künftige Hochwasserlagen besser gewappnet: „Es lagern 2000 vorgepackte Sandsäcke in Gitterboxen gut verstaut auf dem Rittergut in Bredenbeck“, berichtet Landeck. An der Kläranlage bei Holtensen seien rund 1000 leere Sandsäcke und Sand vorrätig. Erneute Unterstützung von Landwirten und Lohnunternehmern wäre ebenfalls gewiss. „Einige sind aktive Feuerwehrmitglieder“, so Landeck. Inzwischen habe der frühere Ortsbrandmeister Friedrich Krone als ehemaliger Mitarbeiter des Amts für Geowissenschaften auch eine Spezialkarte angefertigt. „Wir wissen jetzt, wo sich bei Starkregen mit 100 Litern pro Quadratmeter zuerst 50-Zentimeter-Säulen bilden.“

Gemeindebrandmeister Uwe Bullerdiek verweist unterdessen auf Bemühungen der Gemeinde rund um das Thema Regenrückhaltebecken. „Zurzeit wird das gesamte Wassermanagement überarbeitet.“

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