Grundsätzlich sicher eine gut gedachte Plattform, aber es gab keine Anmoderation und kein Bahn-Vertreter durfte zitiert werden. Ratsfrau Kerstin Beckmann von der Wählergemeinschaft Aktiv für Barsinghausen (AFB-WG) hatte mehr erwartet von der Veranstaltung. Bürgerbeteiligung sehe anders aus, sagte sie. Zumindest ein paar einführende Worte hätte es geben können und nach dem Abschluss auf jeden Fall etwas Zusammenfassendes, monierte sie.
Deutlich wurde bei der Veranstaltung: Die Planungen der Deutschen Bahn stoßen vor Ort auf entschiedenen Widerstand. Die neue ICE-Trasse ist Teil des Deutschlandtaktes – eines Plans der Bundesregierung für schnellere ICE-Verbindungen. Planungsauftrag ist eine zweigleisige Neubaustrecke. Ziel ist es, die Fahrzeit zwischen Hannover und Bielefeld von 48 auf 31 Minuten zu verkürzen.
Außerdem soll die neue Strecke das Schienennetz Richtung Westen entlasten und damit die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Züge steigern. Diesem Ziel stimmten die Besucher der Veranstaltung grundsätzlich zu. Doch vor allem die Trassenvarianten, die dicht an ihren Häusern vorbeiführen, sorgen für Verärgerung und Kopfschütteln. Grundstücke würden durch die zusätzliche Lärmbelastung ihren Wert verlieren.
Roland Große Holtforth ist selbstständig und vor vier Jahren aus Berlin nach Hohenbostel gezogen. Er und seine Frau haben viel Geld in die Hand genommen, um dort ein altes Haus energetisch zu sanieren. „Mit dem Wissen von heute hätten wir diese Entscheidung vielleicht nicht mehr getroffen“, sagte er. Denn der Deister sei ein Standortfaktor, er mache die Gegend landschaftlich attraktiv. Große Holtforth sieht das durch die ICE-Pläne der Bahn in Gefahr. Außerdem sorgt er sich um die Wirtschaft: In Zeiten des Fachkräftemangels sei der Wettbewerb der Regionen um die besten Mitarbeiter groß. Angesichts dieser Bahn-Vorhaben würden es sich Unternehmen sicherlich genau überlegen, hier zu investieren.
Barsinghausens Baudezernent Tobias Fischer bestätigte dies im Prinzip: „Die Planungshoheit der Stadt Barsinghausen wird erheblich eingeschränkt, weil sich durch die zwölf Trassenkorridore, die zurzeit ja noch je einen Kilometer breit sind, erhebliche Flächen unter dem Vorbehalt der DB Infrago befinden.“
Fischer spielte ein fiktives Szenario durch, um klarzumachen, in welcher Situation sich die Stadt befindet: Ein Investor kauft eine Fläche für ein Bauvorhaben, das im Bereich einer der Trassen liegt. Er beantragt Baurecht. Darf die Stadt eine Baugenehmigung erteilen, obwohl der Baugrund eine Vorbehaltsfläche für die Bahn ist und die Bahn noch gar kein Baurecht hat? „Das Risiko, dass ein derartiges Objekt dann trotzdem durch die Planung der Bahn verhindert wird, besteht. Insofern reduzieren sich die aktuellen Möglichkeiten der Stadtentwicklung nicht formell, aber leider ganz praktisch“, sagte Fischer.
Die Stadt Barsinghausen hat sich mit Nachbarkommunen zusammengetan. Zur sogenannten „Nenndorfer Erklärung“ gehören mittlerweile zehn Städte und Gemeinden: Rinteln, Porta Westfalica, Seelze, Bückeburg und Barsinghausen, die Samtgemeinden Nienstädt, Lindhorst, Nenndorf und Rodenberg sowie die Gemeinde Auetal. Damit stehe die „Nenndorfer Erklärung“ für die Stimmen von mehr als 250.000 Bürgerinnen und Bürgern, betonte Barsinghausens Bürgermeister Henning Schünhof (SPD).
Die Stadt hält den Ausbau der ICE-Verbindung von Hannover nach Bielefeld im Sinne der Verkehrswende zwar für erforderlich. Insbesondere der Wunsch Barsinghausens und der anderen betroffenen Kommunen, die Bestandsstrecke einzubinden, sei jedoch nicht genügend berücksichtigt worden.
Was nicht nur Barsinghausens Bürgermeister schwer nachvollziehen kann: Warum ist die Neubaustrecke Hannover–Bielefeld mit Fahrtzeit 31 Minuten ein unverzichtbarer Teil des Deutschlandtaktes? „Diese 31 Minuten sind ein K.-o.-Kriterium und lassen hier bei uns keine Alternativplanung zu“, kritisierter Schünhof. Die Bahn solle besser im Bereich Seelze, Wunstorf, Barsinghausen die Bestandsstrecke nutzen und versuchen, auf weniger komplexen Streckenabschnitten Zeit einzuholen.
Die viel befahrene A2 bereite schon Probleme genug, sagte Schünhof. Dann noch die Südlink-Stromtrasse. Barsinghausen sei ausgelastet an Infrastruktur. Als Anreiz für die ICE-Neubaustrecke hat die Bahn der Stadt angeboten, die Sprinterlinie S21, die jetzt nur bis Barsinghausen fährt, bis Bantorf zu verlängern. Aber diese Aussicht wiege die Beeinträchtigung der Natur, der Landschaft und der Bevölkerung durch den Neubau einer ICE-Trasse in keiner Weise auf, so der Verwaltungschef.
Schünhof zeigte sich über die Informationspolitik seitens der Bahn verärgert. Als die Bahn die zwölf Trassenvarianten im August öffentlich machte, habe die Stadt diese Information kalt erwischt. Er hätte sich gewünscht, dass er vorab informiert wird, damit sich die Verwaltung auf die DB-Pläne einstellen und vorbereiten kann. Das sei das Mindeste, wenn man auf Augenhöhe diskutieren wolle, meinte Schünhof.
Auch der Vorsitzende der Bürgerinitiative Munzel und Umgebung, CDU-Ratsherr Gerald Schroth, nannte die vorliegenden ICE-Pläne eine Katastrophe für Barsinghausen. Insbesondere ein Tunnel durch den Deister sei inakzeptabel. Diese Trassenvarianten seien nicht nachhaltig und verursachten immense Baukosten. Die Bürgerinitiative habe bereits eine Eingabe bei der Bahn gemacht, sagte Schroth. Der BI-Vorsitzende kündigte an, die Bevölkerung noch einmal auf die Dringlichkeit von Einwendungen aufmerksam zu machen.
Bei der Bahn sollen bereits mehr als 300 Hinweise und Anmerkungen zu den einzelnen Trassenvarianten eingegangen sein. Barsinghausen war der letzte Termin in der Reihe der Info-Märkte, die die Bahn zur geplanten ICE-Strecke Hannover-Bielefeld angeboten hatte.
So geht es jetzt weiter: Von den zwölf Trassenvarianten sollen bis Ende des nächsten Jahres nur noch einige übrig bleiben, mit denen weitergeplant wird, voraussichtlich vier bis sechs. Auf der Internetseite www.hannover-bielefeld.de/anregen können Hinweise und Vorschläge zu den zwölf Varianten und Anregungen für alternative Trassenverläufe abgegeben werden.