Ein Deister-Kodex für mehr Rücksichtnahme
Im Naherholungsgebiet sollen alle Nutzungsgruppen verantwortungsbewusst miteinander umgehen.Auch die Stadt Barsinghausen soll sich dazu bekennen.

Nicht allein ein Aufenthaltsraum für Spaziergänge und Naherholung: Weil im Deister die vielfältige Nutzung von Interessenkonflikten geprägt ist, soll künftig ein Kodex mit Verhaltensrichtlinien für ein rücksichtsvolleres Miteinander sorgen.Foto: Andreas Kannegießer
Barsinghausen. „Wir bleiben auf den Wegen, wir nehmen Rücksicht aufeinander, wir respektieren Eigentum“: Das sind drei von insgesamt fünf Leitlinien, die künftig im Deister für ein respektvolles und verantwortungsbewusstes Miteinander sorgen sollen. Auf Initiative der Region Hannover und im Rahmen des Aktionsprogramms Deister haben lokale Akteure verschiedener Interessengruppen einen Deister-Kodex entwickelt. Der Wertekatalog mit Verhaltenshinweisen soll nicht nur illegale Nutzungen, sondern auch Interessenkonflikte eindämmen.

Hintergrund sind die unterschiedlichen Nutzungsansprüche von Gruppen wie Mountainbikern, Spaziergängern, Naturschützern, Jägern, Förstern und Waldbesitzern. Um Lösungen für Interessenkonflikte zu entwickeln, seien mehrere Arbeitsgruppen mit Akteuren aus dem Deister gegründet worden, wie es in einer Beschlussdrucksache der Region heißt. Demnach wurde so gemeinsam ein Kodex entwickelt, der „künftig eine gemeinsame Verhaltensgrundlage und ein gemeinsames Werteverständnis im Deister etablieren“ soll.

Das Gremium „Großer Runder Tisch Deister“ war am finalen Entwurf beteiligt. Ziel ist es, dass die beteiligten Kommunen, Institutionen, Verbände und Vereine den Kodex im Februarunterzeichnen. Auch die Stadt Barsinghausen soll sich per Ratsbeschluss zu den Verhaltensregeln bekennen. Laut Stadtsprecherin Lea Drewnitzky sei das aber noch nicht für den aktuellen Sitzungslauf geplant und wird damit wohl erst in der Ratssitzung am 19. Februar passieren.

Der neue Kodex soll auch im Barsinghäuser Deister künftig mit fünf Grundsätzen ein rücksichtsvolles Miteinander ermöglichen. Wichtig ist den Verantwortlichen: Der Kodex sei weder Ersatz noch Ergänzung des bestehenden Rechts, sondern Schnittmenge und Kompromiss zwischen den Interessen.

Die Leitlinien in Kürze: eine gemeinsame Willkommenskultur, Naturbereiche respektieren und sich in diesen Lebensräumen rücksichtsvoll verhalten. Außerdem sollen Fahrradfahrende nur die befestigten Wege sowie die offiziellen Rad- und Mountainbikestrecken nutzen. Rücksichtnahme gilt auch in Sachen Lärm, Müll und für das Eigentum von Forst und Jagdwirtschaft. Gesperrte Bereiche sind tabu.

Aber wie sollen sich gut gemeinte Verhaltenshinweise auf jahrzehntealte Interessenkonflikte auswirken? „Wir hoffen, dass dadurch die illegale Freizeitnutzung eingedämmt und unterbunden wird“, sagt Revierförster Ralph Weidner. Er betreut für die Niedersächsischen Landesforsten (NLF) rund 1300 Hektar im nördlichen Teil des Barsinghäuser Deisters. Vorbild für den Deister-Kodex seien ähnliche Leitlinien wie am Steinhuder Meer. „Dort wurden mit den Vorgaben für Aufenthaltsbereiche gute Erfahrungen gemacht“, sagt Weidner.

Auch für den Deister hofft der Revierförster auf die Einhaltung der Regeln, „wie und wo sich die Nutzer bewegen sollen“. Stellvertretend für die Niedersächsischen Landesforsten sagt er: „Wir halten viel von dem Kodex – und der größte Teil der anderen Waldbesitzer auch.“ Die Vorgaben seien geeignet, um die soziale Kontrolle zu erhöhen, wenn etwa Menschen bei illegalem Verhalten von anderen „zurechtgewiesen“ würden. Die Grundsätze sollen demnach auf Wanderkarten, in den sozialen Medien, auf Parkplätzen und vor Waldeingängen „gestreut werden“. „Wir hoffen auf einen Erziehungseffekt, auch wenn es nicht bei allen funktionieren wird“, so der Revierförster.

Kritischer äußert sich Mark Wolf, Vorsitzender des Barsinghäuser Mountainbikevereins Deisterfreunde. Er spricht nicht nur für die rund 1300 Vereinsmitglieder, die im Deister unter anderem einen offiziellen Trail auf Barsinghäuser Gebiet nutzen dürfen. „Es gibt immer mehr Naherholungssuchende, die mit Fahrrädern in den Wald kommen“, sagt Wolf. Dieser großen Nutzergruppe werde aber das vorhandene Angebot nicht gerecht. „Trotzdem wurde kein Vorschlag von mir mit im Kodex aufgenommen“, bedauert er. Die Deisterfreunde haben nicht an der Endfassung mitgearbeitet, weil sie nach wiederholten Konflikten aus Protest irgendwann aus dem Runden Tisch Großer Deister ausgetreten sind.

Ein Kritikpunkt des Vorsitzenden: Naturnahe, nicht befestigte, aber attraktive Wanderwege sollen Fahrradfahrende laut Kodex nicht mehr nutzen. Dabei sei die Nutzung offizieller Wege gesetzlich auch Radlern gestattet. „Radfahrer sollen diese Wege im Deister nicht befahren, aber es werden keine zusätzlichen Angebote geschaffen, wo man noch fahren kann“, so Wolf.

Laut Kodex sei mit Fahrrädern nur eine Nutzung befestigter Wege vorgesehen. „Die benutzen aber auch Wanderer“, sagt Wolf. Damit werde der Radverkehr auf diesen Strecken gebündelt. „So provoziert man doch eher Konflikte, als sie einzudämmen“, meint Wolf. Sein Fazit zum Kodex aus Sicht von Fahrradfahrenden: „Es gibt zu wenig Angebote, unsere Interessen werden nicht berücksichtigt.“ Außerdem sagt er über den Wertekatalog: „Rücksicht aufeinander sollte man grundsätzlich sowieso nehmen, dafür braucht es keinen Kodex.“

Revierförster Sebastian Lehmann von den Niedersächsischen Landesforsten hält den neuen Deister-Kodex zwar für einen „wichtigen Baustein“. Aber: „Elementar ist, dass die Kommunen auch ihren Pflichten nachkommen, Verstöße streng zu ahnden – vom illegalen Müll bis zum illegalen Trail“, meint Lehmann.

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