Dabei ist die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen, sogar leicht gesunken und liegt aktuell bei etwa 8 Prozent. Das sei aber immer noch hoch, sagt Querengässer-Taufmann. So hoch, dass „wir nicht hinterherkommen“.
Etwa jeder zehnte Mann ist überschuldet. Laut Statistik sind Männer etwas mehr überschuldet als Frauen und jüngere Menschen etwas mehr als ältere. Aber: „Die Senioren holen auf“, sagt Querengässer-Taufmann. Grund sei der demografische Wandel, aber auch die niedrigen Renten spielten eine Rolle. Wenn Menschen ihren Partner verlieren, dann falle eine Rente weg. Die Pflegekosten kämen hinzu. Weil ältere Menschen zunehmend betroffen sind, bietet die Diakonie Hannover-Land seit Kurzem eine Schuldnerberatung speziell für Senioren an und kommt direkt zu ihnen nach Hause.
Auch immer mehr junge Menschen seien betroffen. Hauptgründe seien Konsumschulden durch „Buy now, pay later“-Angebote, sagt Querengässer-Taufmann. Aber auch Kosten für Studium, Handyverträge und der soziale Druck, ständig Neues besitzen zu wollen. „Wir gehen viel in berufsbildende Schulen, um zu informieren“, sagt Querengässer-Taufmann.
Oft rutsche man durch unvorhergesehene Lebenskrisen wie Arbeitslosigkeit, schwere Krankheit, Trennung oder Todesfall in die Verschuldung. Auch die Inflation und steigende Lebenshaltungskosten spielten eine Rolle. „Wo es vorher schon eng war, wird es nun noch enger.“ Wann man sich Hilfe suchen sollte? „Kurzfristige Engpässe müssen kein Problem sein“, sagt die Schuldnerberaterin. „Aber wenn man immer wieder in einen Engpass gerät, muss man sich Gedanken machen. Allerspätestens, wenn das Konto dicht ist.“Die Schuldnerberaterin weiß aus ihrer Arbeit: „Menschen, die in eine Überschuldung geraten, die rechnen den ganzen Tag. Sie sind die ganze Zeit in einer Gedankenspirale.“ 104 Beratungen hat die Soziale Schuldnerberatung der Diakonie im vorigen Jahr in Ronnenberg gemacht. Genau Zahlen für Barsinghausen für 2024 hat Querengässer-Taufmann nicht, weil Barsinghausen da personell fast nicht besetzt gewesen sei. Trotzdem habe sie versucht, die schlimmsten Notfälle in Barsinghausen aufzufangen. Doch mit einer halben Stelle sei das nur begrenzt gegangen.
Seit September ist nun auch die Beratung in Barsinghausen wieder regelmäßig besetzt. Seitdem habe sie 32 Menschen neu aufgenommen, berichtet Querengässer-Taufmann. „Das ist viel“, sagt sie. Im Moment führe sie fast nur Erstgespräche. Doch die eigentliche Arbeit käme dann ja eigentlich erst. Vor Januar könnten deswegen keine neuen Klienten mehr aufgenommen werden. „Anrufen zu den Sprechzeiten geht aber natürlich trotzdem jederzeit“, betont die Sozialpädagogin. Und manchmal müsse kurzfristig auch ein Krisentermin stattfinden, obwohl es eigentlich keine freien Termine gibt. Zum Beispiel, wenn jemand eine Bescheinigung für ein Pfändungsschutzkonto benötige.
Ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) ist ein Girokonto mit automatischem Schutz vor Kontopfändung, das es ermöglicht, grundlegende Lebenshaltungskosten zu decken. Jeder Kontoinhaber kann sein bestehendes Girokonto in ein P-Konto umwandeln lassen, um bis zu einem bestimmten Freibetrag auf das Guthaben zugreifen zu können. Der gesetzliche monatliche Grundfreibetrag liege derzeit bei 1560 Euro, könne aber unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa Unterhaltspflichten oder Sozialleistungen, erhöht werden, so Querengässer-Taufmann. „Und das bescheinigen wir als Schuldnerberatungsstelle.“
Dass offenbar immer mehr Menschen in eine Schuldenfalle geraten, kann auch Martin Wildhagen, Marketingleiter der Stadtsparkasse, anhand von Zahlen aus seinem Haus bestätigen. „Die Pfändungsschutzkonten bei uns sind in den letzten knapp drei Jahren von 270 auf 350 gestiegen“, berichtet er. Die Stadtsparkasse unterstützt die Schuldnerberatung der Diakonie in Barsinghausen mit 9608 Euro. Das Geld soll in die tägliche Arbeit der Schuldnerberatung fließen und stammt aus dem Erlös der Lotterie „Sparen und Gewinnen“.
Der wichtigste Rat der Schuldnerberaterin derweil: Prioritäten setzen. Existenzsicherung zuerst – das heißt, Zahlungen für Miete, Strom, Lebensmittel und Medikamente hätten oberste Priorität. Erst an zweiter Stelle stünden Schulden mit rechtlichen Konsequenzen wie Pfändungen oder Steuerschulden. Konsumkredite und Ratenkäufe kämen ganz zuletzt. „Wichtig ist, sich einen Überblick über die eigene finanzielle Situation zu verschaffen“, sagt Querengässer-Taufmann. Und: Alle Schulden sollten in der Beratung offengelegt werden. „Nur dann können wir wirklich helfen.“