Vor 50 Jahren beschritt die Stadt Barsinghausen schulpolitisches Neuland und richtete eine Kooperative Gesamtschule an der Goethestraße ein – damals eine der ersten Gesamtschulen dieser Art in ganz Niedersachsen. Im August 1975 startete die Barsinghäuser KGS in Jahrgang sieben, für die Jahrgangsstufen fünf und sechs gab es damals noch die Orientierungsstufe. Im ersten Jahr besuchten etwa 250 Kinder die neue Gesamtschule in Barsinghausen, heute sind es etwa 850 in den Jahrgängen fünf bis zehn. In den ganzen 50 Jahren sind es etwa 15.000 Schüler gewesen.
Angemeldet werden die Kinder an der KGS in den drei Schulzweigen, Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Sie arbeiten jedoch im fünften und sechsten Jahrgang integrativ gemeinsam in einer Klasse. Ab der siebten Klasse gibt es Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialklassen. Hauptfächer wie Mathematik, Deutsch und Englisch werden im Klassenverband unterrichtet. Fächer wie Musik, Kunst oder Sport in integrativen Kursen.
Die Berufsorientierung ein wichtiger Bestandteil der Arbeit an der KGS-Goetheschule. Ehrhardt ist dabei wichtig zu betonen: Betriebe bräuchten den guten Gymnasiasten genauso wie den guten Real- oder Hauptschüler, sagt er. Und mit ihrer Durchlässigkeit stehe die KGS genau dafür. „Hier kann man sich von der Hauptschule bis hoch zum Gymnasium entwickeln“, sagt Ehrhardt. Natürlich auch andersrum, was aber nicht immer das Schlechteste sein müsse. Denn ein Handwerksbetrieb nehme lieber einen guten Hauptschüler als einen durchschnittlich bis schlechten Realschüler oder gar einen kurz vor dem Schul-Burnout stehenden Gymnasiasten mit Vieren und Fünfen.
Ehrhardt erwartet, dass Kooperative Gesamtschulen mit ihrem besonderen Bildungsangebot in den nächsten Jahren wieder stärker nachgefragt werden. „Weil neben der Wirtschaft nämlich auch die Elternhäuser langsam verstehen, dass ihr Kind nicht gescheitert ist, wenn es einen Realschulabschluss mit einer Zwei macht“, sagt er. Ehrhardts Rat an Eltern: Realistisch sein. Und sich auch die eigene Historie mal anschauen. Dies sei natürlich kein Automatismus, sagt Ehrhardt. Aber man könne durchaus mal schauen, wie man selbst gelernt habe. War man der Sprachcrack oder gut in Mathe? Oder projiziere man hier doch eher seine eigenen unerfüllten Träume auf sein Kind.
Der Leiter der Barsinghäuser KGS sieht Kinder und Jugendliche derweil nicht nur durch zunehmenden Leistungsdruck vor wachsenden Herausforderungen. Auch die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen. Soziale Kompetenzen seien verlernt worden. „Deswegen haben wir Lions-Quest an die Goetheschule geholt“, berichtet Ehrhardt. Das sei ein Präventionsprogramm, das junge Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung stärken und ihnen das Rüstzeug mitgeben soll, um ihren Lebensweg erfolgreich zu gehen. Für das erste Modul sind die Lehrkräfte an der KGS-Goetheschule jetzt geschult.
Auch die digitale Abhängigkeit fordert die Schule heraus. Smartphone, Tablet, Notebook: Kinder und Jugendliche wachsen heutzutage völlig selbstverständlich mit digitalen Medien auf. „Wir als Schule sehen uns hier aber in der Verantwortung“, sagt Ehrhardt. Er räumt zwar ein, dass die Goetheschule lange abgeschnitten gewesen sei vom Glasfaser und die Stadt es erst dieses Jahr geschafft habe, die Goetheschule ans schnelle Internet anzuschließen. „Ich kann aber ja aber auf der einen Seite nicht das Handy verbieten, aber die Schüler gleichzeitig das Tablet den ganzen Tag nutzen lassen“, sagt er. Reine iPad-Klassen gibt es an der KGS in Barsinghausen deswegen nach wie vor nicht.
An der KGS in Barsinghausen gibt es sogenannte Handyhotels in allen Klassenräumen. Denn wenn die Kinder nicht konzentriert im Unterricht säßen, bräuchte man auch keinen Unterricht anbieten, sagt Ehrhardt. Seine Meinung ist in dieser Frage deutlich: „Es braucht digitale Verbotszonen an Schulen, damit die Schülerinnen und Schüler mal herauskommen aus dieser Zwangslage, ständig nachgucken zu müssen, welche Whatsapp sie gerade gekriegt haben.“ Ehrhardt hofft deswegen, dass es bald ein politisches Signal und klare Vorgaben zu Handys für die niedersächsischen Schulen gibt.