Mit scharfen Sinnen:Hunde suchen Hunde
Trainerin Sabine Niggemeier und ihre „Wedemärker Spürnasen“ unterstützen verzweifelte Tierhalter

Auf der Suche: Die Hündin Libby von Markus Peterseim hat eine Spur aufgenommen.Foto: Jennifer Kramer
Gehrden/Bissendorf. Sabine Niggemeier ruft: „Oh nein, Taio ist einfach aus dem Kofferraum gesprungen und weggelaufen!“ Sofort sind alle mit Feuereifer dabei. Mit den „Wedemärker Spürnasen“ geht die Hundetrainerin auf Suche nach entlaufenen Haustieren, wenn man sie um Hilfe bittet.

Zum Üben treffen sich die sogenannten Pettrailer etwa einmal die Woche an unterschiedlichen Orten, diesmal in Bissendorf. Markus Peterseim und sein Labrador-Mischling Libby zeigen, wie eine solche Trainingsrunde aussehen kann. Trainerin Niggemeier sucht Airedale-Terrier Taio und sein Herrchen aus der Gruppe aus, legt mit ihnen eine Spur und die beiden verstecken sich in einiger Entfernung.

Hündin und Herrchen starten an dem Auto, aus dem Taio angeblich entwischt ist. Peterseim lässt die Hündin an einer Geruchsprobe von Taio in einem Schraubglas schnüffeln und schon nimmt Libby die Spur auf.

Läuft in der Region Hannover ein Hund weg, kann man sich an die Wedemärker Spürnasen wenden, damit sie bei der Suche unterstützen. Bis zu 100 Kilometer fahren die Ehrenamtlichen und ihre Vierbeiner dafür. Auch Sylvie Müller aus Gehrden nimmt mit ihrem Mix-Hund Fips an dem Training teil – und das seit inzwischen sieben Jahren. Der kurzbeinige Straßenhund aus Ungarn, längst gut ausgebildet, eignet sich vor allem für die Suche in kleinen Bauten oder Verstecken. „Eigentlich bin ich seit 2010 dabei“, sagt Müller. Am Anfang beteiligte sie sich mit ihrer Airedale-Terrier-Hündin Cara. „Sie war gerade sechs Monate, als wir eingestiegen sind“, sagt Müller.

Meist übernimmt Sabine Niggemeier die Einsatzleitung. Per Whatsapp fragt sie, wer bei einer Suche helfen kann. „Am Anfang ging bei mir immer direkt der Puls hoch, wenn eine Whatsapp in unserer Gruppe ankam“, erzählt Franziska von Bredow. Sie ist seit 2021 mit ihrem Weißen Schweizer Schäferhund Kuri bei der Hundesuchtruppe dabei.

Talentierte Hunde und Hundeführer findet Trainerin Niggemeier in den Hunde-Suchsportgruppen, die sie hauptberuflich unterrichtet. In einer davon hat sie auch von Bredow angesprochen. Seitdem steht bei von Bredow für die Einsätze stets ein fertig gepackter Rucksack mit Taschenlampe, Wasser, Hundefutter und anderen Utensilien bereit.

Vom Besitzer des entlaufenen Hundes braucht das Team dann eine Geruchsprobe. Das muss etwas sein, mit dem nach Möglichkeit nur der gesuchte Hund in Berührung gekommen ist. Hat noch ein Mensch die Geruchsprobe angefasst, müsse der beim „Anriechen“ dabei sein, damit der Spürhund den Geruch unterscheiden kann, erklärt Niggemeier.

Hund und Besitzer müssen eng zusammenarbeiten. Das „Trailen“ ist Teamarbeit, wie Niggemeier erklärt. Der Hund übernimmt die Suche mit der Nase. Eine extreme Anstrengung: Beim Schnüffeln atmet Libby, statt 30- bis 40-mal, dann plötzlich bis zu 300-mal in der Minute. „Nach dem Training sind die Tiere platt“, sagt Müller, die das Pettrailing als guten Ausgleich zum normalen Gassigang oder Training in einem Parcours bezeichnet. „Es ist völlig faszinierend, was Hunde leisten können und über welche Distanz sie noch vermisste Tiere finden“, sagt die Gehrdenerin.

Mit zum Team gehört auch immer ein sogenannter Flanker. Den Job übernimmt Sylke Bohlen bei diesem Training. Damit sich Libby und Markus ganz auf ihre Arbeit konzentrieren können, beobachtet sie und warnt durch lautes Rufen vor herannahenden Autos oder Fußgängern.

Als Libby den wartenden Taio hinter einem Stein an der Grundschule in Bissendorf entdeckt, ist die Freude bei beiden Hunden riesig und Peterseim belohnt die Hündin ausgiebig mit Futter. „Für die Hunde ist das alles ein Spiel“, erklärt Niggemeier, „so halten wir es auch im Einsatz.“

So schnell wie im Training findet das Team die vermissten Hunde jedoch selten. „Oft sucht man eher eine Woche“, meint Niggemeier. Und dann nimmt das Ganze auch nicht immer einen guten Ausgang. Bei Peterseims erstem Einsatz etwa hatte das Team einen vermissten Mops nicht finden können und später erfahren, dass der Hund wohl tot sei, erinnert sich der Tierfreund betrübt. Für dieses Ehrenamt müsse man hart im Nehmen sein, meint auch Niggemeier. Immer wieder komme es vor, dass Hunde tot gefunden werden oder schlicht verschwunden bleiben und ihr Schicksal sich nie aufklären lasse.

Zusätzlich sucht das Team mit Wärmebildkameras, Nachtsichtgeräten und Drohnen. Außerdem, freut sich Niggemeier, werde ihre Ausrüstung bald um eine Lebendfalle ergänzt, um besonders scheue Hunde wieder einfangen zu können.

Den traurigen Ausgängen stehen aber auch zahlreiche erfolgreiche Suchen gegenüber. So habe ihr Team erst kürzlich eine entlaufene Hündin wiedergefunden, die einem Reh nachgejagt war – in einem Maisfeld. „Die Suchen werden schwieriger, seitdem mehr Straßenhunde aus anderen Ländern hier eingeflogen werden – die sind häufig extrem scheu“, berichtet Niggemeier. Alle Mitglieder aus ihrem Team schlagen sich dabei ehrenamtlich die Nächte um die Ohren und planen ihre Einsatzzeiten bei Wind und Wetter, um den Job herum. Sie alle tun das gerne, denn am Ende können die „Spürnasen“ dem Besitzer eines verschwundenen Hundes immer zu mehr Gewissheit verhelfen.

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