Viel Raum für Geschichten
Politisches muss draußen bleiben: In Gehrden eröffnet ein Erzählcafé,das den Zusammenhalt stärken und gegen die Einsamkeit helfen soll

Erzählen gegen die Einsamkeit: Elisabeth Steffens (rechts) und Angelika Steffen (links) organisieren das Erzählcafé im Mehrgenerationen-Treff in Gehrden.Foto: Fynn Dresler
Gehrden. Der Tisch ist gedeckt, es gibt Kaffee und Tee. Dazu geht eine kleine Truhe unter den Anwesenden herum. Aber darin befindet sich kein Gold oder Silber. Stattdessen liegen darin Kärtchen mit Sprüchen und einer Kreidetafel. Angelika Steffen vom Mehrgenerationen-Treff in Gehrden verkündet das Thema: „Meine besten Geschichten, Worte und Erzählungen“.

Damit will Steffen einen Schatz bergen, der nicht in der Truhe, sondern in den Erinnerungen und Gedanken der Teilnehmenden steckt. Denn das Thema und die Karten sollen die Anwesenden ermutigen, sich an die Geschichten ihres Lebens zu erinnern und diese mit den anderen zu teilen.

Das ist die Idee hinter dem Erzählcafé, das Steffen mit ihrer Kollegin Elisabeth Steffens im Mehrgenerationen-Treff in Gehrden ins Leben gerufen hat. Einmal im Monat, immer am zweiten Donnerstag, laden sie dazu ein. Dann kann kommen, wer will – egal, wie alt oder mit welchen Interessen. Es soll ein Anlass sein, um ins Gespräch zu kommen.

Die beiden Seniorinnen wissen, dass gerade ältere Menschen immer weniger miteinander sprechen. Wer viel Zeit zu Hause verbringt, vielleicht alleine lebt, hat kaum Raum zu erzählen. Dazu kommt, dass der Besuch im klassischen Café immer teurer wird. Die Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen, sinken. Das Problem spiegelt sich in Zahlen vom Bundesfamilienministerium aus dem Jahr 2024 wider: In der Vergangenheit waren gerade alte Menschen ab 75 stark von Einsamkeit betroffen. Aber seit der Pandemie ist Einsamkeit auch unter jungen Menschen verbreitet. Was allen hilft: am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und Menschen treffen. Deswegen sagt Steffens: „Alleine der Schritt, zum Erzählcafé zu kommen, ist ein wichtiger.“

Und sind die Menschen erst mal da, haben sie auch fast immer etwas beizutragen. Steffen hat erlebt, wie sich auch eher stille Teilnehmer am Ende durch die Themen an eigene Geschichten erinnert haben. Dann reden die Teilnehmenden über Erlebnisse aus dem Urlaub und familiäre Traditionen zu Ostern oder Weihnachten.

Eine Pflicht, etwas zu sagen, gebe es aber nicht. Für Steffen ist das eine tolle Chance, sich an das eigene Leben zu erinnern und bei den Geschichten der anderen zu fragen: „Was macht das mit mir?“ Diese Biografiearbeit, sagt sie, bringe die Erfahrung, „dass auch ich was ganz Besonderes erleben durfte in meinem Leben“.

Mitunter wird es im Erzählcafé auch persönlich. Dabei gilt die Regel, dass persönliche Geschichten nicht außerhalb des Cafés weitererzählt werden. Steffen leitet die Gespräche an, gibt Themenanstöße oder bremst, wenn sich die Gruppe weit vom Thema entfernt. Um sich auf die Moderationsrolle vorzubereiten, hat sie eine Fortbildung absolviert. Ihr ist wichtig, dass alle zu Wort kommen und sich über die Themen verbunden fühlen.

Das Erzählcafé ist also kein Debattierclub. „Wir werden nicht über Politik sprechen“, sagt die Moderatorin. Stattdessen wollen die Organisatorinnen mit Themen wie Erntedank oder Ostern ein gemeinsames Erinnern schaffen und im besten Fall dazu anregen, dass die Teilnehmenden über das Erzählcafé hinaus ins Gespräch kommen.

Steffens und Steffen wollen nun das Erzählcafé vergrößern – sie haben Plakate gestaltet und einen Gruppenausflug nach Herrenhausen geplant. Möglich macht das die finanzielle Unterstützung der Bürgerstiftung Gehrden.

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