Respekt vor einem,
der erinnern wollte
Die Stadt Ronnenberg würdigt Fritz G. Cohen mit drei Veranstaltungen rund um dessen Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof. Dort ist seit1933 niemand mehr beerdigt worden.

Fritz G. Cohen kurz vor seiner Flucht aus Deutschland um 1938. foto: Sammlung Hertel (nachkoloriert)
Ronnenberg. In der kommenden Woche wird auf dem jüdischen Friedhof „Am Weingarten“ zum ersten Mal seit 1933 wieder eine Beisetzung stattfinden. In einer nicht öffentlichen Zeremonie soll die Urne mit einer Hälfte der Asche von Fritz G. Cohen, Ehrenvorsitzender des Fördervereins Erinnerungsarbeit Ronnenberg (FER) und Ehrenbürger der Stadt, ihre letzte Ruhestätte finden.

Cohen, 1922 in Hannover geboren und 1938 als 15-Jähriger von den Nationalsozialisten vertrieben, prägte über Jahrzehnte die Erinnerungsarbeit in seiner früheren Heimatstadt. Er selbst bestimmte, dass seine Verbundenheit mit Ronnenberg auch über den Tod hinaus sichtbar bleiben solle: Während eine Hälfte seiner Asche bereits im Juni 2025 in West Lafayette (USA) neben seiner Frau Leona beigesetzt worden ist, soll die andere Hälfte nun in Ronnenberg an der Seite seiner geliebten Großmutter Lina ruhen.

Zur Beisetzung reisen Cohens Töchter aus den USA an, ebenso Verwandte aus zahlreichen anderen Ländern der Welt – Nachkommen jener Ronnenberger Familien, die durch Verfolgung, Vertreibung und Ermordung während der NS-Zeit auseinandergerissen wurden. Die eigentliche Zeremonie auf dem jüdischen Friedhof will die Familie in einem privaten Rahmen vollziehen.

Fritz Cohen war ein Zeitzeuge, dessen persönliche Geschichte das Unfassbare der NS-Diktatur greifbar gemacht hat. Als Jugendlicher erlebte er Demütigung, Gewalt und Ausgrenzung: Der Bademeister eines nahegelegenen Schwimmbads verbot ihm seine Lieblingsbeschäftigung, Freunde ließen ihn im Stich, und Lehrer drückten ein Auge zu, wenn Mitschüler ihn schlugen. Ein Schulkamerad ohrfeigte ihn sogar noch am Vorabend seiner Flucht. „Sie haben uns entmenschlicht“, erinnerte Fritz Cohen sich noch im hohen Alter. „Plötzlich waren wir eine Gefahr für die Existenz des deutschen Volkes.“

Dennoch ließ Cohen es sich nicht nehmen, nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als US-Soldat gegen Nazi-Deutschland kämpfte, den Weg zurück nach Ronnenberg zu suchen – nicht, um Anklage zu erheben, sondern um an das Erinnern zu erinnern. Mit seiner Stimme, seiner wissenschaftlichen Arbeit und seiner persönlichen Wärme setzte er Zeichen für ein neues Miteinander.

Dass auf dem jüdischen Friedhof in Ronnenberg wieder eine Grabstätte errichtet wird, kann als Ereignis von außergewöhnlicher Symbolkraft gesehen werden. Der Friedhof selbst entstand um 1840 auf einem Stück des evangelischen Pfarrgartens – nicht ohne Widerstand in der Kirchengemeinde. Heute ist er Eigentum des Landesverbands der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen. Auf dem jüdischen Friedhof wird Cohen nun Teil jener Heimat, die er als Jugendlicher verloren hat und der er doch stets verbunden blieb.

Der FER lädt rund um die Beisetzung zu drei öffentlichen Programmpunkten ein: Am Mittwoch, 27. August, beginnt um 17 Uhr ein Gedenken an den Stolpersteinen an der Adresse Über den Beeken 15. Ab 19 Uhr folgt im Gemeinschaftshaus Ronnenberg eine Kulturveranstaltung mit Musik, Redebeiträgen von Cohens Tochter Elizabeth und Originalaufnahmen des verstorbenen Ehrenbürgers.

Am Sonnabend, 30. August, öffnet zudem eine Ausstellung mit Dokumenten und Erinnerungsstücken der Familie Cohen in der Velsterstraße 2. Dafür ist eine Anmeldung per E-Mail an
erinnerungsarbeit.ronnenberg@ gmx.de bis spätestens 28. August erforderlich.





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