Es geht los auf der41-Millionen-Baustelle
So entkernen Arbeiter die Schule Am Castrum / Einzug in Neubau 2027 geplant

In hohem Bogen: Bauarbeiter Angel Michef entkernt mit seinen Kollegen die Grundschule Am Castrum in Gehrden.Foto: Thea Marie Klinger
Gehrden. Ein Papierblock liegt auf der aufgewühlten Erde. Die Blätter sind zerknickt und vom Staub verschmiert. Rumen Chakarov greift sich den Rest einer Stuhllehne und wirft das Holz in eine mannshohe Baggerschaufel. Einen Moment später wirbelt die massive Schaufel durch die Luft – ein Kollege von Chakarov leert sie mit dem Bagger in Sekundenschnelle über einem Container aus. Das Holz donnert aufs Metall.

So geht es hier seit Wochen: Einen Container nach dem Anderen füllen die Bauarbeiter mit den Tischen, Schultoiletten und Bodenbelägen, die sie aus dem alten Gebäude holen. Sie schaffen Platz für den Neubau der Grundschule Am Castrum an gewohnter Stelle.

Schülerinnen und Schüler lernen schon seit einem Jahr nicht mehr hier. Sie sind umgezogen in die Lange Feldstraße. Geplant war der Abriss der Grundschule Am Castrum ursprünglich für April 2025, und 2026 sollten die Schüler zurückkommen. Denn spätestens im kommenden Jahr braucht die Schule neue Räume. Dann sind Schulen rechtlich verpflichtet, eine Ganztagsbetreuung anzubieten.

Aber die Kosten von rund 41 Millionen Euro für Abriss und Neubau erforderten eine EU-weite Ausschreibung. Weil das Verfahren mehr Zeit brauchte, herrschte auf der Baustelle am Castrum lange Stillstand. Projektleiterin Christina Unselt von der Stadt Gehrden geht mittlerweile von einem Einzug im Sommer 2027 aus. Die Ganztagsbetreuung soll so lange in Containern stattfinden.

Auf dem früheren Schulhof läuft Unselt vorbei an einem Berg aus Stühlen, zwischen aussortierten Schränken steckt ein Aquarium. Zwischenzeitlich trainierte das LKA in den leerstehenden Räumen, schlug Scheiben bei Übungen ein. Hinzu kam Vandalismus. „Seitdem keine Kinder mehr hier sind, sieht man, dass die Schule alt ist, dass der Abriss unausweichlich ist“, sagt Unselt wehmütig. Sie ist selber in den 1980er-Jahren in die Grundschule gegangen. Seitdem war eine neue Feuerleiter noch die größte Veränderung. Nun koordiniert Unselt für die Stadt Gehrden Abriss und Neubau.

Aber bevor die Wände mit den letzten Schulplakaten eingerissen werden können, müssen Chakarov und seine Kollegen jede Menge aufräumen. Auf dem Hof vor dem alten Lehrertrakt sortieren die Bauarbeiter Wertstoffe: Es türmen sich Kloschüsseln und Keramikfliesen, daneben pechschwarzer Dachbelag und Betonplatten.

Den Schutt zu trennen, erleichtert das Recycling und spart Kosten. Chakarov greift mit schnellen Griffen nach ein paar Papierablagen. Seit acht Jahren arbeitet der junge Mann auf dem Bau, aber eine Schule hat er noch nie abgerissen. Da kommen Erinnerungen an seine eigene Schulzeit hoch, an Streiche, die er mit seinen Freunden gemacht hat, erzählt er lachend.

Im Lehrertrakt, der die zwei Schulflügel verbindet, sind bereits einige Wände eingerissen. Doch mit dem Bagger müssen Chakarov und seine Kollegen vorsichtig sein: In dem alten Schulgebäude sind Asbest und andere Gefahrstoffe verbaut, die beim Abriss freigesetzt werden können. Ganz in Blau gehüllt steht daher einer der Bauarbeiter im Gestrüpp.

Handschuh, Maske und Ganzkörperanzug schützen ihn, während er eine Dämmplatte nach der anderen aus dem Dach zieht und behutsam auf einen Schubwagen legt. „Da sind wir lieber vorsichtig“, sagt ein anderer. Zwar nehmen Fachleute auf der Baustelle regelmäßig Proben, aber nicht immer wissen die Arbeiter, womit sie es zu tun haben. Einfach alles mit dem Bagger plattmachen, geht also nicht.

Dass der Abbruch Zeit braucht, weiß auch Unselt. Mit der Bauleitung plant sie den Abriss bis Ende des Jahres, inzwischen liegt auch die Baugenehmigung vor. Während sie über das Gelände läuft, zeichnet sie den Grundriss der neuen Gebäude auf ein Blatt. Die Pläne des Architekturbüro h4a aus Düsseldorf sehen vier aufgereihte Neubauten vor: zwei Lernhäuser mit Mensa, ein Verwaltungstrakt und die Festhalle.

Unselt will eine Schule, die sich an die Bedürfnisse von heute anpasst: keine Kreidetafel, stattdessen große Touchdisplays. Auch Schülerschaft und Lehrkräfte konnten Wünsche äußern: Aufgenommen wurden Ideen für offene Gemeinschaftsflächen und eine Rutsche aus dem ersten Stock.

Aber nicht nur die zukünftigen Nutzer der Grundschule Am Castrum wollen mitreden. An einer Ecke des Grundstücks quetscht sich Unselt zwischen einem Busch und dem gelben Bauzaun hindurch. Die Holzplatten fassen die Baustelle zu allen Seiten ein. So sollen die Nachbarhäuser vor Staub geschützt werden, erklärt die Projektleiterin. Beim Abriss will die Bauleitung auch die Belastung für Anwohner verringern, indem sie die Abbruchbereiche bewässern. „Alle müssen hier mit Einschränkungen leben“, sagt Unselt – aber sie versuche, alle einzubinden. Aus der angrenzenden Kita kam der Wunsch nach Gucklöchern im Zaun, um das Treiben auf der Baustelle beobachten zu können. Auch die sollen kommen, sagt Unselt.

Dann werden auch die Schülerinnen und Schüler der Grundschule am Castrum beobachten können, wie ihr Neubau entsteht. Im ersten Stock des Altbaus kratzt Chakarov mit einer Schaufel den Bodenbelag vom Estrich. An manchen Stellen ist der Kleber so stark, dass er zur Brechstange greift. „Immerhin ist nicht alles so fest“, sagt er und kratzt weiter.

Druckansicht