Ein seltener Schatz in der Natur
Arbeit von Nabu, Landwirt und Schäfer zeigt Erfolg:In der Mergelkuhle siedeln sich immer mehr vor dem Aussterben bedrohte Wildpflanzen an.

Teamarbeit für das Biotop: Gisela Wicke vom Nabu, Schäfer Christian Hoppe (Mitte) und Landwirt Jens Grastorf in der Gehrdener Mergelkuhle.Foto: Sarah Istrefaj
Gehrden. Mindestens 100 Jahre ist es her, als in der Mergelkuhle am Köthnerberg in Gehrden der gleichnamige tonhaltige Boden abgebaut wurde. Kalk- und basenreich eignete er sich besonders zum Düngen. Heute zeugen die zurückgebliebenen Kuhlen vom einstigen Abbau, hindurch führt ein Weg, der von Spaziergängern und Radfahrern gern genutzt wird. Was viele nicht wissen: Das Gebiet steht unter Naturschutz und beherbergt mittlerweile seltene Pflanzenarten – dank der erfolgreichen Zusammenarbeit von Naturschutzbund (Nabu), Landwirt und Schäfer.

„Die Leute genießen es, hierherzukommen. Allein die Schafe sind eine Attraktion“, sagt Gisela Wicke vom Nabu Gehrden/Benthe und lässt den Blick über das Tal schweifen. Oberhalb des Weges sprießt gerade der Sommerweizen, den Jens Grastorf gesät hat. So richtig hoch wächst das Getreide allerdings nicht. Landwirtschaftlich gesehen sei der Boden eigentlich schlecht, es befinde sich viel Stein unter der Fläche, erläutert der Ditterker Landwirt. Doch die Bodenverhältnisse seien besonders und dadurch schützenswert, denn hier gedeihen andere Pflanzen als auf herkömmlichen Flächen.

Geerntet wird das Getreide nicht. Es dient rein der Ansiedlung seltener Kräuter wie dem Tennelkraut – laut Aussage der Nabu-Vorsitzenden Wicke die seltenste Pflanze Gehrdens. Grastorf pflügt den Acker lediglich um und sät neues Getreide aus, wenn das vorherige verblüht ist. Die Büsche am Ackerrand schneidet er regelmäßig zurück. Sie dienen auch dazu, den dahinterliegenden Wald zu schützen.

In den Kuhlen unterhalb des Ackers setzen die Naturschützer auf eine weitläufige Freifläche. Büsche und Bäume wurden sukzessive entfernt. „Was hier wächst, ist ein Kalk-Magerrasen. Früher war die gesamte Fläche zugewachsen, doch das ist aus Naturschutzsicht nicht gewollt. Bäume gibt es schon genug. Hier wachsen jetzt seltene Wildpflanzen wie Enzian, Zittergras und Golddistel“, erklärt Wicke. Zeitgleich biete die Fläche einen Lebensraum für Tiere. Eidechsen und Bläulinge, eine seltene Schmetterlingsart, habe sie bereits entdeckt.

Unterhalb des Weges ist ein Areal von einem Zaun abgetrennt, denn dort weiden sechs Bergschafe und eine Heidschnucke des Peiner Schäfers Christian Hoppe. Er lässt seine Tiere von März bis Oktober parzellenweise in der Mergelkuhle grasen. Die Zusammenarbeit mit dem Nabu hat einen wichtigen Grund: Die Tiere halten das Gras kurz und fressen Büsche sowie Bäume im unteren Bereich kahl. Damit verhindern sie die Beschattung des Bodens und ein „Verbuschen“ der Fläche.

„Die Beweidung ist optimal und angepasst an die Nutzer, also die Menschen, die sich hier aufhalten. Die Schafe machen gute Arbeit“, sagt Hoppe. Alle zwei bis drei Wochen werde eine andere Parzelle eingezäunt, damit die Schafe diese bearbeiten. Mit den Spaziergängern – und vor allem deren Hunden – funktioniere das Zusammenleben an der Kuhle gut. „Unsere anfänglichen Bedenken haben sich nicht bestätigt, es gibt keine Konflikte“, so der Schäfer. Er bitte jedoch ausdrücklich darum, die Schafe nicht zu füttern. Dies könne im schlimmsten Fall tödlich enden.

Ohne den Einsatz von Bauer Grastorf und Schäfer Hoppe, würde die Mergelgrube in kürzester Zeit wieder zuwachsen. Deshalb ist die Zusammenarbeit für den Nabu ein großer Gewinn. „Es ist eine Dauerpflege notwendig. Der Nabu ist hier schon seit 40 Jahren aktiv – früher noch mit Kniepaktionen, bei denen wir mit Heckenschere und Säge vorgegangen sind“, berichtet Naturschützerin Wicke.

Das Zusammenspiel der drei Akteure ist jedoch nicht kostenlos und zunächst zeitlich begrenzt. So war der Nabu auf der Suche nach Fördergeld erfolgreich und erhält Unterstützung aus dem Biodiversitätsprogramm der Region Hannover. Das Projekt ist für einen Zeitraum von fünf Jahren angesetzt und wird mit 19.500 Euro gefördert. Der Nabu Gehrden/Benthe beteiligt sich mit einem Eigenteil von rund 2000 Euro. Im ersten Jahr wurden für 5000 Euro die Zäune für die Schafe angeschafft.

Doch was kommt danach? „Wenn wir aufhören, ist nach zwei Jahren alles wieder zu. Und das Ganze rein ehrenamtlich zu machen, wird schwierig. Wir wünschen uns eine endgültige Lösung finden“, sagt Wicke. Um der Wichtigkeit des Biotops Ausdruck zu verleihen, plant der Nabu in einer botanischen Untersuchung alle Pflanzenarten in der Mergelkuhle zu erfassen und die Daten der Region Hannover zu übergeben – in der Hoffnung auf weiteres Geld.

Bis dahin wollen die Naturschützer auch die Bevölkerung über das schützenswerte Gebiet informieren. Wer aus Richtung des Berggasthauses Niedersachsen auf dem Köthnerberg hinunter zur Mergelkuhle laufe, den solle an der Weggabelung zukünftig eine Schautafel erwarten. Auch Handzettel mit interessanten Informationen seien ab Herbst oder Winter geplant. Laut Wicke sei dies „absolut notwendig“, denn das Interesse sei da.

Druckansicht