Wespennest am Schuppen – und nun?
Es ist so groß wie ein Handball und wird weiter wachsen: Annegret Lehmann aus Egestorf will das Gebilde nicht entfernen,weil sie die Natur nicht stören möchte. Doch hätte sie das überhaupt gedurft?

Schon fast so groß wie ein Handball: Ein Wespennest besteht hauptsächlich aus einer papierartigen Masse, die vonWespen aus zerkautem Holz und Speichel hergestellt wird. Diese Masse wird zu Waben geformt und von mehrerenSchichten umhüllt, die das Innere vor Wettereinflüssen schützen.Foto: Jennifer Krebs
Egestorf. Vor ungefähr sechs Wochen, als sie in den Schuppen wollte, um den Rasenmäher herauszuholen, hat es Annegret Lehmann aus Egestorf entdeckt: ein Wespennest direkt über der Eingangstür. Damals war es nur etwas größer als eine Murmel. Inzwischen ist die grau-beige Kugel, die wie Papier aussieht, fast so groß wie ein Handball. Und sie wächst stetig.

Vor der Öffnung herrscht reger Flugverkehr. Nein, Angst vor den gelb-schwarz-gestreiften Insekten habe sie nicht, sagt Lehmann. Meist seien Wespen ja auch harmlos. Genügend Abstand hält sie vorsichtshalber trotzdem. Am Donnerstag kämen die Enkel zu Besuch, erzählt die 69-Jährige. „Dann müssen wir natürlich schon gut aufpassen.“

Lehmann will die Natur nicht stören. Deswegen lässt sie das Wespennest hängen. Die Schiebetür des Schuppens bleibt nun einfach geöffnet, und den Rasen hält jetzt ein Mähroboter kurz. „So ein Wespennest ist ja schon ein Phänomen und ein bemerkenswertes Bauwerk“, findet die Seniorin. „Und ein Wespennest zu beobachten, ist wirklich spannend“, sagt sie. Das Nest wegmachen zu lassen, sei für sie überhaupt nicht infrage gekommen. „Ich tue das gern, für die Umwelt“, sagt sie.

Wissenschaftler bestätigen die wichtige Rolle von Wespen im Ökosystem. Sie sind nicht nur lästige Insekten, sondern wichtige Bestäuber und halten Schädlinge in Schach, indem sie andere Insekten jagen. Annegret Lehmann macht im Prinzip alles richtig. „Ein Wespennest ist Teil der Natur, man kann mit dem Wildtier Wespe zusammenleben und den Garten trotzdem nutzen“, sagt Barsinghausens Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu), Elke Steinhoff.

Ein Wespennest über der Eingangstür eines Schuppens ist zwar ärgerlich, aber meist ungefährlich, solange man die Wespen nicht provoziert. Ohnehin: Wespennester dürfen nur in Ausnahmefällen entfernt werden. Denn: „Wespen stehen wie die meisten Wildtiere unter Naturschutz“, betont die Nabu-Chefin. Ein Wespennest zu entfernen oder auch nur umzusiedeln, sei strafbar, wenn es dafür keinen triftigen Grund gebe. „Triftige Gründe sind zum Beispiel Wespennester auf Spielplätzen oder in Gärten mit Kleinkindern“, erklärt Steinhoff.

Ein Wespennest wächst weiter, wenn es nicht entfernt wird. Das ist auch das, was Lehmann gerade bei sich im Garten beobachtet. Ein Wespennest wird größer, weil die Königin ständig neue Eier legt und die Arbeiterinnen das Nest kontinuierlich erweitern, um die wachsende Population unterzubringen. Die Wespenkönigin sei größer als die Arbeiterinnen, etwa zwei Zentimeter lang, aber von Laien nicht erkennbar, sagt Steinhoff.

Ein Wespennest wird nur für eine Saison genutzt. „Wenn es kälter wird, im Spätsommer, spätestens im September, sterben alle Wespen“, sagt die Nabu-Vorsitzende. Nur die Jungkönigin überlebt und sucht sich einen Winterunterschlupf. Die leere Nesthülle darf man gefahrlos und ohne Genehmigung entfernen. Das Wespennest zerfalle normalerweise aber auch von selbst, wenn es verlassen wurde, sagt Steinhoff.

Wespen wählen die Gartenlaube eigentlich nur deshalb, weil ihnen geeignete Hohlräume fehlen. „Normalerweise nutzen Wespen hohle Bäume, oder auch Dachunterstände oder Nistkästen“, sagt die Vorsitzende des Barsinghäuser Nabu. Sie rät: In der Nähe von Wespennestern sollte man vorsichtig sein, keine schnellen oder schlagenden Bewegungen machen, Erschütterungen vermeiden und die unmittelbare Nähe am besten meiden.

„Die Deutsche oder die Gemeine Wespe können schon mal sehr aggressiv werden, wenn sie sich bedroht fühlen“, weiß Steinhoff. Sie seien Dunkelbrüter und lebten in Erdnestern oder Hohlräumen. „Alle anderen Wildwespen sind harmlos, Wildbienen zum Beispiel stechen normalerweise gar nicht“, sagt Steinhoff.

Auch die besonders streng geschützten Hornissen gehören zu den Wespen. Sie seien aber nicht aggressiver oder gefährlicher als ihre kleineren Verwandten, sagt Steinhoff. „Ich hatte mal ein Hornissennest einen Sommer lang in einem Starenkasten, das war kein Problem, niemand wurde gestochen“, erzählt sie. Sie habe auch mal ein großes Hornissennest unter einer Bushaltestelle gekannt. Auch den Schülerinnen und Schülern, die die Haltestelle genutzt hätten, sei hier aber nie etwas passiert. „Auch sie konnten mit den Wespen gefahrlos auskommen und wurden nicht gestochen“, sagt Steinhoff.

Doch was tun, wenn ein Wespennest stört? Der Naturschutzbund rät: Wenn eine Entfernung eines Wespennestes nötig ist, sollte dies von Fachleuten durchgeführt werden. Es gibt ausgebildete Wespenberater oder auch autorisierte Firmen, die beraten, Tipps geben und unter Umständen auch die Nester beseitigen oder umsetzen können und dürfen. Experte in der Nähe ist unter anderem Wespenberater Thomas Haubrich aus Wennigsen, Telefon (05109) 675105 und (01512) 7086926.

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