Es ist ein Abschied, der bereits seit einigen Monaten feststeht. Zu Beginn des Jahres verkaufte Siebert mit seiner Geschäftspartnerin Erika Pagallies die Praxis an der Stoppstraße an das Medizinische Versorgungszentrum Wittum & Eriksen. „Wir sind älter geworden, beide über 70, da musste eine Nachfolgeregelung her“, sagt Siebert, der seit dem Verkauf und noch bis Ende Juni als angestellter leitender Arzt dort tätig ist.
Warum aber arbeitet Siebert überhaupt noch mit 72 Jahren? „Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, Patienten zu versorgen. Teilweise habe ich sogar drei Generationen einer Familie behandelt“, sagt er. Der Mediziner blickt auf eine lange, erfolgreiche Karriere als Arzt zurück. Nicht nur eine Facharztausbildung in der Allgemeinmedizin, sondern auch in der Inneren Medizin hat er absolviert. Zwischen 1980 und 1986 war er am Robert-Koch-Klinikum in Gehrden tätig und baute dort das heutige Notarztwagen-System auf, bei dem ein Rettungs- und ein Notarztwagen zusammen ausrücken.
All das hat der Mediziner erreicht, obwohl er eigentlich mal etwas ganz anderes machen wollte. „Früher wollte ich immer Physik studieren“, sagt er. Sogar einen Landessieg bei Jugend forscht habe er geholt. Doch dann kam alles anders. In den letzten Jahren seiner Schulzeit pflegte er seinen kranken Großvater mit. „Meine Mutter bewunderte, wie ich das mache und überredete mich dazu, Arzt zu werden“, erzählt Siebert. Und das war genau richtig. Heute sei er seiner Mutter dankbar.
Wie viele Menschen er wohl in seiner Tätigkeit als Arzt behandelt hat? „Das kann ich überhaupt nicht sagen“, sagt der 72-Jährige lachend. Doch zuletzt seien es um die 1000 Menschen pro Quartal gewesen – von denen manche natürlich auch mehr als nur einmal kamen. Und nicht nur das: „Ich habe viele interessante Menschen kennengelernt und tolle Gespräche gehabt“, sagt er. Deswegen gebe es auch nicht ein bestimmtes Ereignis, dass ihn besonders geprägt habe. „Es sind so viele Sachen, die mir Freude bereitet haben“, so Siebert.
Nur die ein oder andere Entwicklung im Laufe der Jahre beschäftigt den Arzt: „Wir erleben eine immer unpersönlicher werdende Medizin“, macht er deutlich. „Die Empathie zwischen Arzt und Patient ist weniger erwünscht und auch die Zeit dafür gibt es nicht mehr“, sagt Siebert mit Blick auf die immer mehr werdenden Verwaltungsangelegenheiten. „Das nimmt viel zu viel Zeit in Anspruch“, findet Siebert und ist froh, das jetzt nicht mehr machen zu müssen.
Das Versorgungszentrum sucht derweil nach einem Nachfolger. Erste Bewerber gibt es nach Angaben von Siebert bereits. Für ihn geht es dagegen nach Bremen. Ohnehin hatte er in Barsinghausen immer nur eine Zweitwohnung angemietet. „Mein Elternhaus in Bremen habe ich vor 20 Jahren übernommen und da sind meine Wurzeln“, sagt er mit Begeisterung für das 100 Jahre alte Haus. Seine Wohnung in Barsinghausen räume er bereits aus. Obwohl der Verkauf der Praxis zu Beginn ein „tiefes Bedauern“ in ihm ausgelöst habe, sei er jetzt voller Freude auf die Zeit danach. „Ich habe keine Wehmut, jetzt kommt einfach eine neue Zeit.“
Schließlich ist all das für Siebert auch kein Grund, nicht mehr in die Stadt am Deister zu kommen. „Ich habe ganz viele Freunde hier“, sagt Siebert. Kinder habe er nicht, „dafür aber umso mehr Patenkinder“, sagt Siebert lachend. Wie viele es genau sind, könne er nicht genau sagen.
Und so ganz ohne Arbeit kann Siebert sich seine Zukunft nicht vorstellen. „Ich habe Lust, gelegentlich Praxisvertretungen zu übernehmen“, sagt er. Und auch sonst habe er genug zu tun. „Am Haus gibt es immer was zu erledigen und ansonsten freue ich mich, Zeit für mich zu haben.“ Denn das sei in den Jahren immer zu kurz gekommen. „Ich habe auf viel Privatleben verzichtet, jetzt möchte ich reisen und viel lesen“, sagt er.
Und für seine ehemalige Praxis wünscht er sich eigentlich nur eins. „Die Patienten sollen sich gut behandelt fühlen und ein Gefühl davon haben, vor Ort eine sichere ärztliche Versorgung zu haben“, so Siebert. Und da habe er mit seinen Nachfolgern ein gutes Gefühl.