Der Stadt war es wichtig gewesen, die über 70 Jahre alte Zeitkapsel tatsächlich zu finden. Sie sei ein historisches Zeitdokument, sagt der Verwaltungschef und spricht von gelebter und gefühlter Geschichte. In diesem Fall war die Zeitkapsel ein verlötetes Kupferrohr, das im alten Schulgebäude in einer Wand eines Klassenzimmers neben der Stadtbibliothek eingemauert gewesen war. „Vermutet hatten wir sie dort nicht und deswegen auch erst woanders gesucht“, sagt der Leiter des Barsinghäuser Gebäudewirtschaftsamtes, Matthias Wuttig. Die Baggerfahrer seien gebeten worden, bei den Abrissarbeiten möglichst vorsichtig zu arbeiten. Wuttig selbst hatte im Altbau sogar mit Metalldetektor nach der Kapsel gesucht.
Weil sie gewaltsam aufgebrochen werden musste, ist die Zeitkapsel stark deformiert und kaum noch als solche zu erkennen. Es war aufwendig, alle Dokumente möglichst unbeschädigt herauszubekommen. Das Meiste ist noch gut zu lesen. „Die Seiten waren wie zu einem Papierknäuel zusammengedrückt gewesen“, erzählt Barsinghausens neue Stadtarchivarin Katharina Valenty. Es habe Wochen gedauert, ehe sie getrocknet gewesen seien und sich die Seiten dann voneinander gelöst hätten. Auch eine inzwischen verrostete Münze befand sich in der Zeitkapsel.
Bürgermeister Schünhof zufolge gibt der Inhalt „einen sehr vielfältigen und breit gelagerten Einblick in die frühen Fünfzigerjahre in Barsinghausen“. Am 31. Juli 1952 hatte Barsinghausen 10.212 Einwohnerinnen und Einwohner, davon 2500 Vertriebene aus dem Osten und noch einmal genauso viele Ausgebombte. So schreibt es der damalige Gemeindedirektor Wilhelm Heß auf der Urkunde zur Grundsteinlegung der zwölfklassigen Volksschule, die sich auch in der Zeitkapsel befand.
Manche Parallelen zur heutigen Zeit verblüffen: So macht sich unter anderem ein Schüler in einem Brief Gedanken darüber, welche Folgen der Neubau des Sporthotels Fuchsbachtal für die Anwohnerinnen und Anwohner haben könnte. „Auch jetzt laufen die beiden großen Bauprojekte zeitgleich nebeneinander“, sagt Schünhof. 17 Millionen Euro will der Niedersächsische Fußballverband ab 2026 in den Hotelumbau investieren. Zwei Jahre sollen die Bauarbeiten dauern.
Auch die anderen Briefe sind aus Sicht von Stadtarchivarin Valenty wertvolle Dokumente der Zeitgeschichte. „Viele Jugendliche berichten von den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs, die auch sieben Jahre nach Friedensschluss noch deutlich zu spüren sind. So beschreiben viele Mädchen und Jungen aus Vertriebenenfamilien die Hoffnungen der Elterngeneration, in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückkehren zu können.“
In vielen Schreiben der Schülerinnen und Schüler nehmen indes die Olympischen Spiele in Helsinki viel Raum ein. Für die Jugendlichen sei die Veranstaltung in der finnischen Hauptstadt offenbar das bestimmende Ereignis im Sommer 1952 gewesen, meint Schünhof. Die Faszination der Olympischen Spiele sei über die Jahrzehnte hinweg also ungebrochen, stellt er fest.
Auch im neuen Gebäude der Wilhelm-Stedler-Schule soll wieder eine Zeitkapsel eingemauert werden – diesmal aber nicht irgendwo versteckt, sondern hinter einer Plexiglasscheibe für alle sichtbar gemacht, wie Amtsleiter Wuttig ankündigt. Geschehen soll dies am 27. Juni bei der Grundsteinlegung der neuen Wilhelm-Stedler-Schule.
Aufgrund des Erhaltungszustands vieler Dokumente werden die Briefe und Abschriften und die Tageszeitung aus dem Jahr 1952 nicht wieder in die neue Zeitkapsel gesteckt. Stattdessen hat die Stadt ein Fotobuch davon erstellen lassen und auf besonders beständigem Papier drucken lassen. Dieses kommt dann in die neue Zeitkapsel, gemeinsam mit den Abschriften der Ratsbeschlüsse für den Schulneubau und der Verträge sowie einer Tageszeitung vom 27. Juni.
Alle, die Interesse am Inhalt der Zeitkapsel aus dem Jahr 1952 haben, können in der Stadtbücherei in der Barsinghäuser Fußgängerzone die Fotoaufnahmen der Dokumente ansehen. Die Originale werden im Stadtarchiv eingelagert.