Eine bunte Reisein die Vergangenheit
In der Heimatbund-Reihe „Die Gelben Hefte“ist mit der 75. Ausgabe ein besonderer Bildband erschienen

Jahrzehnte vor der aktuellen Innenstadtsanierung: Im Jahr 1957 wird in Gehrden eine neue Kanalisation verlegt, weshalb auch der Steinweg zu einer Großbaustelle wird. Foto: privat
Gehrden. Es ist eine Jubiläumsausgabe und deshalb ein ganz besonderer Bildband: In der Heimatbund-Reihe „Die Gelben Hefte“ ist jetzt die 75. Ausgabe erschienen. Hobbyhistoriker Rainer Piesch erinnert mit nachkolorierten Fotos an die Zeit in Gehrden von 1925 bis 1965.

„In diesem Heft gibt es keinen einzelnen Themenschwerpunkt, sondern eine Zusammenstellung von mehr als 100 Bildern zu verschiedenen Themen“, sagt Piesch, der dem Vorstand der Heimatbund-Ortsgruppe Gehrden angehört.

Piesch hat bereits zum zweiten Mal für eine Ausgabe mit einer Computersoftware historische Schwarzweißfotos nachkoloriert. „Weil uns der erste Band mit nachträglich eingearbeiteten Farben förmlich aus der Hand gerissen wurde, sind nun wieder die deutlich lebendigeren Farbaufnahmen zu sehen“, sagt er. Auf 60 Seiten sind zu den Fotos aber auch geschichtliche Fakten niedergeschrieben. Unter anderem ist beschrieben, wie einst die legendäre „Räuberhöhle“, ein Minigolfplatz und ein Kanalbauarbeiten den Alltag in Gehrden prägten.

Heimatbundmitglied Piesch besorgt sich in akribischer Netzwerkarbeit schon seit etwa 20 Jahren in ganz Gehrden bei Menschen historische Fotos. Inzwischen umfasst sein Archiv rund 8000 Bilder. Vor 15 Jahren veröffentlichte der Heimatbund das erste „Gelbe Heft“ zur Stadtgeschichte.

In der Jubiläumsausgabe sind auch dem 1972 abgerissenen Waldschlösschen und der darunter liegenden Gaststätte „Räuberhöhle“ jeweils ein Kapitel gewidmet. „Beide Lokale waren ein regelmäßiger Anlaufpunkt für Gehrdener Festlichkeiten und Veranstaltungen der örtlichen Vereine“, weiß Hobbyhistoriker Piesch. Ganz besonderen Zulauf habe die Gastronomie an der Große Bergstraße zu Zeiten der Hannover-Messe verzeichnet.

Eine Besonderheit der „Räuberhöhle“ waren demnach die Getränkenamen: Ein „Blutgerinnsel“ habe aus einem Gläschen Eierlikör mit einem Schuss Kirschlikör bestanden, sagt Piesch. Ausgeschenkt wurden auch ein „Schwiegermutterkuss“ und eine „Vollnarkose“. Auf Wunsch machte der Gastwirt für Gäste auch ein „Testament“. Für heutige Zeiten unvorstellbar: „An jedem Abend sorgte eine Tanzkapelle für Livemusik“, erzählt Piesch.

In einem weiteren Kapitel der Jubiläumsausgabe ist der Bau und Betrieb einer Minigolfanlage auf einem Grundstück zwischen der Gartenstraße und der Calenberger Straße dokumentiert: „Am 13. August 1970 eröffnete das Ehepaar Margret und Heinz Lehmann auf einem früheren Gelände mit Gärten einen Parcours mit 18 Bahnen, der auch für Turnierspiele zugelassen war“, berichtet Piesch. Am ersten Tag nach der offiziellen Eröffnung seien fast 500 Gäste „förmlich durchgeschleust“ worden.

„Die Anlage war bis etwa Ende 1980 in Betrieb, wurde dann demontiert und von dem Ehepaar Lehmann der Stadt Gehrden übergeben“, berichtet Piesch. Anschließend sei der Minigolf-Parcours auf dem Freigelände des Gehrdener Schwimmbades an der Lange Feldstraße wieder aufgebaut worden. „Nach der Verwendung am Freibad hat die Stadt die Anlage der Partnerstadt Elbingerode geschenkt“, erzählt der Hobbyhistoriker.

Zu finden sind in der 75. Ausgabe auch Fotos früherer Geschäfte in der Gehrdener Innenstadt – darunter die Gaststätte „Deutsches Haus“ am Steinweg 18. „Das Gebäude ist längst abgerissen. Heute steht an dieser Stelle der Neubau mit dem Tedi-Markt“, erläutert Piesch.

Ein weiteres Geschäft aus längst vergangenen Zeiten: Am Steinweg 26 habe sich im heutigen Eiscafé „La Dolce Vita“ im Jahr 1911 das Klempnergeschäft von Georg Katz befunden, berichtet Piesch. Am Steinweg 7 wurden die Räume des heutigen Friseursalons „Mizgin“ um 1920 von einem Gemischtwarenladen genutzt.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Innenstadtsanierung in Gehrden sind auch Fotos interessant, die in den Fünfzigerjahren während umfangreicher Bauarbeiten entlang des Steinwegs aufgenommen wurden: „Im Jahr 1957 wurde in Gehrden eine neue Kanalisation verlegt, deshalb verwandelte sich die gesamte Innenstadt in eine riesengroße Baustelle“, erzählt Piesch. Gut 70 Jahre später sorgen die Arbeiten des sechsten Bauabschnittes der Innenstadtsanierung erneut für Einschränkungen in der Geschäftswelt.

In der Jubiläumsausgabe des Heimatbundes sind aber auch noch zahlreiche weitere Fotos aus der Stadtgeschichte abgedruckt – darunter nachkolorierte Aufnahmen vom Berggasthaus Niedersachsen, vom Brauereiteich, von der Linie 10 der Straßenbahn, von der Teppichfabrik Vorwerk und von Schulklassen.

Das Heft mit dem Titel
„Gehrden in Farbe Teil 2:
Die Stadt vor 60 bis 100 Jahren“ kostet 5 Euro und ist
erhältlich in der Stadtbücherei, in der Buchhandlung
Lesezeichen am Steinweg sowie auf dem Hof Hundertmark an der Großen Bergstraße.



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