Die Vorbereitungen für das neue Theaterstück der Zwölftklässler laufen auf Hochtouren. Die Zeit drängt, schon am 28. Mai ist die Premiere. Zudem wird das Schülerensemble am 5. Juni im Ballhof im Rahmen des Festivals „Jugend spielt für Jugend“ auftreten – für die Schule eine wiederkehrende Ehre.
Der diesjährige Theaterkurs der zwölften Klasse bringt mit „Ein Wunder für Ralph“ ein ambitioniertestes Theaterprojekt auf die Bühne. Unter der künstlerischen Doppelspitze der Lehrer Fred Ritzer und Ludger Deters stellt sich der 50-köpfige Kurs einer anspruchsvollen Aufgabe, denn die Produktion verlangt den Jugendlichen einiges ab – sowohl schauspielerisch und thematisch als auch bühnentechnisch.
Die Geschichte spielt in Ontario im Jahr 1954. Der 14-jährige Ralph Walker erfährt, dass seine Mutter im Koma liegt und nur durch ein Wunder wieder aufwachen kann. Streng katholisch erzogen, interpretiert Ralph dies wörtlich. Verzweifelt trainiert er für den Boston-Marathon – überzeugt davon, dass ein unwahrscheinlicher Sieg genau das Wunder wäre, das seine Mutter retten könnte.
Die MCG-Schüler müssen authentisch in die Rollen der Figuren schlüpfen, die Kernbotschaft der Geschichte vermitteln und als geschlossenes Ensemble funktionieren – während sie sich an einer ungewohnten Inszenierungsform erproben wollenund zugleich noch ihre persönliche Beziehung zu dem Thema suchen.
Ralph wird gespielt von Max Rupnow. Der 17-Jährige steht nicht das erste Mal für das MCG auf der Bühne. Schon in der sechsten Klasse wirkte er im Stück „Madame Laurent und ihre Kinder“ mit. Der Abiturient hat Spaß am Theater und genießt die Freiheit, seine Charaktere zu spielen. „Ich mag es, in Rollen hineinzuschlüpfen und kurz in ein anderes Leben einzutauchen.“
Besonders anspruchsvoll sei aber das Lernen des Textes. Als Hauptdarsteller hat Max den größten Sprechanteil. „Ich versuche, Ralph nachzuempfinden, so gut ich kann, bin aber auf das Feedback der Regie angewiesen, um das authentisch auf der Bühne zu zeigen.“ Eine Herausforderung werde es auch sein, sich schnell für die Szenen umzuziehen. „Ich habe viele aufeinanderfolgende Kostümwechsel.“ Er komme zudem an seine persönlichen Grenzen: „Ich fühle mich mit der Masturbationsszene noch unwohl.“
Das sind offenbar nicht die einzigen Herausforderungen. Jedenfalls rumort es hinter den Kulissen. Eine ungleiche Arbeitsverteilung sorgt für Diskussionen im Schulensemble, ebenso wie der Inhalt und die Charaktere des Stücks. Die Jugendlichen stellen sich die Frage: Passt dieses Stück noch in die heutige Zeit? Besonders Schülerinnen kritisieren die Frauenbilder der Inszenierung, die weiblichen Rollen würden objektifiziert und hätten nur eine marginale Bedeutung für die Handlung. Stattdessen dominierten drei männliche Hauptrollen.„Das ist 2025 nicht mehr zeitgemäß“, so der Tenor unter den jungen Schauspielerinnen, die namentlich nicht genannt werden möchten.
Die Film-zu-Bühne-Adaption wiederum stellt das Ensemble vor logistische Probleme. „Während ein Film einfach zu neuen Personen und Schauplätzen schneiden kann, fehlt uns ein konkreter Plan für Bewegungsabläufe und Übergänge auf der Bühne“, sagt Max. Die aktuelle Unzufriedenheit der Beteiligten fällt besonders auf, weil das Vorjahresstück durch gemeinsames Singen ein Gemeinschaftsgefühl stiftete.
Die für die Inszenierung verantwortlichen Lehrkräfte Ritzer und Deters verteidigen das Stück. Es biete Einblicke in eine Welt, in der Hoffnung und Mut zentrale Themen seien – und zeige, wie wichtig diese Werte auch heute noch seien. „Im Stück geht es darum, dass man wieder an etwas glauben kann. Es geht aber auch um den Mut, etwas aus sich zu machen – trotz aller Widrigkeiten“, erläutert Deters.
Kritische Rückfragen gab es auch vonseiten der Veranstalter von „Jugend spielt für Jugend“. Die 47. und letzte Ausgabe des Festivals steht unter dem Motto „EASY!“, im Ankündigungstext heißt es: „… denn die Gegenwart ist kompliziert, und zwischen Gefühlen wie Chaos, Wut und Hilflosigkeit ist die Sehnsucht nach Leichtigkeit groß“. Das MCG-Ensemble wurde daher gefragt: „Muss das Thema katholische Kirche sein?“
Ritzer und Deters betonen: „Ein Wunder für Ralph“ sei kein religiöses Stück – auch wenn die Handlung in einem streng katholischen Setting der Fünfzigerjahre angesiedelt ist. „Die Geschichte kann auch in heutiger Zeit spielen“, so Deters. Außerdem seien einige Rollen umgeschrieben worden. „Beispielsweise wurde die Rolle eines Paters in die einer Nonne umgewandelt.“
Die Hoffnung aller liegt nun auf der Wewelsburg im Kreis Paderborn – das Ziel der anstehenden Probenfahrt. „Erfahrungsgemäß kann so eine Intensivwoche fernab des Schulalltags wahre Wunder bewirken“, sagt Ritzer. Er vertraut quasi auf eine transformative Kraft des Theaterausflugs.