„Wir können nicht jede Straße in einen komfortablen Zustand versetzen“
Ein Besuch in der Landesstraßenmeisterei Wennigsen. Mitarbeiter müssen sich bei der Arbeit auf der Straße einiges anhören.

Einsatz auf der Bönnigser Straße (L391): Jan Schmidt (vorn) und Max Gern flicken im laufenden Verkehr ein Schlagloch.Foto: André Pichri
Wennigsen. Zu tun gibt es in der Landessstraßenmeisterei Wennigsen das ganze Jahr über reichlich. Der Winter beschert der Mannschaft um Leiter Felix Meinhart aber die arbeitsintensivste Zeit – auch ohne Schnee und Blitzeis. Zurzeit ist es der Mix aus Frost und Tauwetter, der an den Straßen nagt. Doch viel mehr als Löcherstopfen ist auf den mehr als 226 Kilometern im Wennigser Verantwortungsbereich häufig nicht drin. Wir haben das Team bei der Arbeit begleitet.

Sechs Grad zeigt das Thermometer an diesem Mittwochnachmittag in Wennigsen an. Auf der Bönnigser Straße (L391) zwischen der Möllerburgkreuzung und der Kleingartenkolonie „Schöne Aussicht“ weht ein kalter Wind. Jan Schmidt und Max Gern stehen mit Schaufeln auf der rechten Fahrspur und füllen gerade ein veritables Schlagloch. Lediglich die auf einen Anhänger montierte Absperrtafel trennt die beiden Straßenwärter vom vorbeirauschenden Verkehr.

Erlaubt sind auf diesem Abschnitt Tempo 70. Gefühlt fahren die meisten Fahrzeuge trotz Baustelle eher schneller als langsamer. „Viele Autofahrer nehmen keine Rücksicht“, sagt Jan Schmidt, während er den Kaltmischasphalt mit der Schaufel festklopft.

Mittlerweile sind er und sein Kollege schon froh, wenn sie unbehelligt ihren Job machen können. Die Realität sehe aber oft anders aus. „Beim Vorbeifahren wird noch extra Gas gegeben. Man wird angehupt, manchmal auch beschimpft“, nennt Max Gern Beispiele. „Für viele Autofahrer sind wir nicht die Hilfe, sondern das Hindernis“, bringt Jan Schmidt die Reaktionen auf den Punkt.

Auch Bernd Hasse, der an diesem Tag mit einem Großfahrzeug den Seitenstreifen an der L390 zwischen Wennigsen und Steinkrug mäht, hat schon viel erlebt. „Viele Leute fahren extrem dicht auf oder überholen riskant“, sagt er.

Straßenmeistereileiter Felix Meinhart pflichtet seinen Mitarbeitenden bei: „Was die Kollegen draußen teilweise aushalten müssen, ist schon sehr unangenehmen und teilweise beängstigend. Viele halten es für selbstverständlich, dass die Straßen an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden lang in einem verkehrssicheren Zustand sind. Aber es sind die Kollegen, die das leisten.“

Mit Sorge beobachtet er, dass Autofahrende – wie zuletzt bei Brückenarbeiten bei Steinkrug – Absperrungen missachten und durch Baustellen fahren. Von einer einzelnen Bake und dem Verkehrszeichen 250 „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ lassen sich viele nicht mehr beeindrucken. „Mittlerweile müssen wir komplette Straße inklusive Bankettbereich sperren“, sagt Meister Corbin Siebert.

Das Schlagloch auf der Bönnigser Straße ist derweil schnell verfüllt – der nächste Einsatz der Straßenwärter auf der von kleinen Rissen durchzogenen Fahrbahn aber absehbar. „Gerade, wenn die Temperaturen zwischen Frost und Tauwetter hoch und runtergehen, herrscht bei uns Hochkonjunktur“, sagt der Meistereileiter und zeigt auf Stelle, wo sich die nächsten Löcher anbahnen.

Ist die Fahrbahndecke erstmal aufgebrochen, sei es schwer, den Prozess noch aufzuhalten – „ein Kampf gegen Windmühlen“, sagt Meinhart und betont: „Wir müssten deshalb eigentlich viel mehr in den Erhalt der Substanz stecken.“ Von den zehn Jahren, nach denen eine Straßendecke spätestens erneuert werden sollte, sei man mittlerweile „weit weg“.

Auch das Team in Wennigsen würde gern machen, als nur im Wortsinn Löcher zu stopfen. Das ist jedoch nicht nur eine Frage des Geldes, sondern gerade am Standort in der kleinen Deistergemeinde auch des Personals. „Wir sind gezwungen, zu priorisieren“, stellt Meinhart.

Die Landesstraßenmeisterei ist verantwortlich für die Verkehrssicherheit von 138 Kilometer Landesstraße und 86 Kilometer Bundesstraße. Dazu kommen 157 Kilometer Radweg und 76 Bauwerke, wie Brücken und Lärmschutzwände sowie 99 Ampelanlagen – und 7700 Bäume. Das landesweit drittgrößte Einzugsgebiet Gebiet reicht im Norden bis nach Wunstorf, Seelze und Hannover, im Süden bis Hameln. Daran gemessen ist das 14-köpfige Team vergleichsweise klein. Nimmt man Leiter Meinhardt, Stellvertreter Siebert, einen Betriebsassistenten und einen Schlosser raus, bleiben zehn Kollegen, die sich täglich draußen um drei Bezirke kümmern.

Je nach Verkehrslast müssen sie sämtliche Straßen ein- bis zweimal pro Woche abfahren und den Zustand kontrollieren. Einmal im Jahr wird jeder einzelne der 7700 Bäume kontrolliert, jede Brücke zweimal im Jahr. Ein Team kümmert sich um Pflege und kleinere Reparaturarbeiten. Dabei geht es nicht nur um das klassische Schlagloch. Umgefahrene Verkehrsschilder müssen ersetzt, tote Tiere entfernt und Rastplätze von Müll befreit werden.

Grundsätzlich hat die Sicherung der Verkehrssicherheit Vorrang. „Wir können nicht jede Straße in einen komfortablen Zustand versetzen. Auch der Rückschnitt der Hecke muss dann manchmal warten“, gibt Meinhart angesichts der personellen Situationen zu bedenken.

Die Stimmung im Team sei gut, die Kollegen motiviert. „Wir bilden auch aus, haben aktuell vier Azubis”, sagt der Leiter. Drei Stellen sind aktuell jedoch nicht besetzt – weil Straßenwärter „am Markt nicht zu bekommen“ sind. Fachkräfte können sich den Standort quasi aussuchen. Wennigsen ist da augenscheinlich nicht die erste Wahl.

Meinhart macht kein Hehl daraus, dass das 1977 errichtete Gehöft in der Gottlieb-Daimler-Straße modernen Meistereien hinterherhinkt. Baulich ist hier vielen Stellen die Zeit stehen geblieben. So müssen die größeren Fahrzeuge bei Wind und Wetter draußen stehen, weil sie nicht mehr in die Hallen passen. Das setzt nicht nur Technik und Karosserien zu, sondern erschwert auch die Arbeitsbedingungen.

Meinhart nennt ein Beispiel: In anderen Straßenmeistereien steht das Winterdienstfahrzeug einsatzbereit als fertig montiertes Gespann in der Halle. In Wennigsen müssen die Kollegen im Ernstfall erstmal draußen die Schaufel an den Traktor montieren – bei Minusgraden, mitten der Nacht im schummrigen Hoflicht.

Auch das Betriebsgebäude versprüht an vielen Stellen noch den Charme der Siebzigerjahre. Einen Trockenraum gibt es hier nicht, feuchte Kleidung wird stattdessen über die Heizung gehängt. Zur Verstärkung des Teams würde sich Meinhart auch über Bewerberinnen freuen. Doch bislang fehlt ein getrennter Umkleideraum.

Beheben lässt sich der Standortnachteil über kurz oder lang aber nur mit einem Neubau – an einem neuen Standort. „Es gibt Überlegungen, die sind aber noch sehr am Anfang“, erklärt Meinhart. „Wir reden also von einer mittel- bis langfristigen Perspektive.“

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