„Mein Vater kocht auch gerne“
Küchenaktion als Ferienangebot nur für Jungs: Die Jugendpflege Wennigsen will klassische Rollenbilder aufweichen

Ein Angebot speziell für Jungen: Beim Kochkurs bereiten die fünf Teilnehmer mit Sozialarbeiter Timo Röß (Dritter von rechts) und Mounir Abou Zaki von der Jugendpflege (Zweiter von rechts) verschiedene Gerichte zu.Foto: Ingo Rodriguez
Wennigsen. Der achtjährige Ruben aus Degersen kennt sich bestens aus. Sein Rezept für einen „Armen Ritter“: „Eier mit Milch, Zucker und Zimt vermischen, dann Toast darin aufweichen und in der Pfanne anbraten.“ Für fünf Jungen stehen heute im Jugendhaus aber auch Hamburger und Nudelsalat auf dem Speiseplan – selbst gemacht. „Kochen für Jungs“ heißt das Angebot im Osterferienprogramm. Die Idee stammt vom pädagogischen Mitarbeiter Mounir Abou Zaki. „Warum soll das Kochen oder Backen nur Mädchen- oder Frauensache sein?“, fragt er.

Tomaten schneiden, Nudeln kochen und Salat zupfen – für den achtjährigen Ruben ist das kein Problem. „Mein Vater kocht auch gerne“, sagt er.

Fynn hält ebenfalls nichts von geschlechtsspezifischen Rollenbildern: „Ich brate mir zu Hause auch gerne ein Steak.“ Auch deshalb habe er sich zu der Ferienaktion angemeldet. Es sei doch totaler Quatsch, dass etwas nur Mädchen oder nur Jungs gefallen dürfe. „Es kann doch jeder machen, was er will. Wenn mir danach wäre, würde ich auch einen Rock anziehen“, sagt der Zwölfjährige selbstbewusst.

Für Timo Röß sind diese Aussagen als neuer Leiter der Jugendpflege sehr erfreulich. Seit Anfang des Jahres arbeitet der 36-jährige studierte Sozialarbeiter in Wennigsen. Schon kurz nach seinem Amtsantritt hatte er angekündigt, auch ein Angebot speziell für Jungen – analog zum Montags-Mädchentag – aufzubauen. Der Kochkurs werde aber vorerst kein regelmäßiges Projekt, sondern zunächst einmal eine Ferienaktion des Kollegen Abou Zaki. „Wir überlegen zurzeit noch, wie sich ein neues Jungenangebot regelmäßig in die vorhandenen Strukturen einbetten lässt“, sagt Röß. Er wolle nicht als neuer Leiter „gleich alles über den Haufen werfen“.

Röß hält viel von geschlechtersensibler Jugendarbeit. „Es geht darum, einen Schutzraum herzustellen, um auch mal über Themen zu reden, über die man vielleicht nicht reden möchte, wenn das andere Geschlecht dabei ist“, sagt er. Dabei gehe es keineswegs nur um das Thema Sexualität. „Es verändert sich doch auch das Verhalten von Jugendlichen automatisch, wenn Interaktionen mit dem anderen Geschlecht beginnen“, sagt Röß.

Eine ähnliche Beobachtung hat er bei einer Zeugnisparty gemacht: „Die Tanzfläche hat sich erst gefüllt, als die Nebelmaschine angeworfen wurde, weil sich die Jungen und Mädchen dann unbeobachteter gefühlt haben“, erzählt er.

Komplett durchbrechen will Röß klassische Rollenbilder nicht, es sei vielmehr wichtig, sie „aufzuweichen“ und zu hinterfragen. Er verdeutlicht dies mit einem Beispiel: Gemäß der klassischen Sozialisationsmodelle gelte es als gewöhnlich, dass Mädchen introvertierter und zurückhaltender seien als Jungs. Das lasse sich aber nicht auf alle ausnahmslos übertragen. „Es stimmt ja auch nicht, dass alle Männer kräftiger sind als alle Frauen: Meine Schwester gewinnt beim Armdrücken immer gegen mich“, sagt der 36-Jährige.

Röß erläutert, wie sich diese Erkenntnisse für eine gendersensible Jugendarbeit nutzen lassen: „Es geht uns jetzt nicht darum, den Jungen nur noch mädchenspezifische Angebote schmackhaft zu machen“, sagt er. Um neue Aktionen anzubieten, sei es außerdem erforderlich, die Interessen der Jugendlichen zu berücksichtigen. „Sie sagen, was sie wollen, und wir füllen das mit Inhalten“, so der Sozialarbeiter. Gleichzeitig sei es begleitend sinnvoll, um Toleranz für Interessen abseits der gängigen Rollenbilder zu werben. „Damit auch individuelle Haltungen nebeneinander akzeptiert werden.“

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