„Gut die Hälfte der Frauen,
die zu uns kommen, ist von Gewalt betroffen“
Immer mehr Hilfesuchende wenden sich an die Frauenberatungsstelle in Barsinghausen.Doch der Bedarf übersteigt die personellen Kapazitäten.

Gewalterfahrungen, Lebenskrisen, finanzielle Notlagen: Anne Vogt von der AWO-Frauenberatungsstelle Barsinghausen (rechts) hilft Ratsuchenden bei einer Vielzahl von Problemen.Foto: Cecelia Spohn
Barsinghausen. 155 Frauen in Deutschland mussten im Jahr 2023 die Gewalttaten ihres Partners oder ehemaligen Partners mit dem Leben bezahlen. In demselben Jahr sind insgesamt 180.715 „weibliche Personen Opfer häuslicher Gewalt“ geworden, wie aus einer entsprechenden Statistik des Bundesinnenministeriums hervorgeht.

Die Zahlen machen deutlich, wie brisant das Thema Gewalt gegenüber Frauen ist. Das bestätigt Anne Vogt von der Frauenberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Barsinghausen. „Über 50 Prozent der Frauen, die zu uns kommen, sind von Gewalt betroffen“, betont sie. Dabei handele es sich sowohl um körperliche, als auch um psychische Gewalt.

Im Januar 2020 wurde die Frauenberatungsstelle eröffnet. Dann kam Corona – und in Folge der Einschränkungen während der Pandemie stieg der Beratungsbedarf. „Seit es die Beratungsstelle gibt, sind es konstant mehr Frauen geworden, die zu uns kommen“, berichtet Vogt. Obwohl es längst keine Corona-Beschränkungen mehr gibt.

Etwa 80 Frauen im Alter von 17 bis 87 Jahren suchten allein im Jahr 2024 Rat und Hilfe bei Vogt. Der Großteil von ihnen sind sogenannte Selbstmelderinnen – das heißt, sie gehen von sich aus in die Beratung. „Andere Frauen kommen durch Meldungen der Polizei zu uns oder durch Hinweise von Ärzten“, erklärt Katharina Krüger, Fachbereichsleiterin der AWO Region Hannover.

In diesen Fällen seien die Gründe oft dramatisch: „Wir beobachten einen starken Antifeminismus in der Gesellschaft.“ Vor allem jüngere Männer dächten wieder verstärkt in traditionellen Rollenbildern, gemäß denen die Frau dem Mann beispielsweise untergeordnet sein soll. „Die Gleichstellung ist noch längst nicht tief in der Gesellschaft verankert“, mahnt Krüger. Die Gewalt sei ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Die Frauen, die die Beratungsstelle aufsuchen, geben häufig sich selbst die Schuld an ihrer Situation. „Das geht meistens mit einer Abwertung des Selbstwertgefühls einher“, erklärt Vogt. Ihre Aufgabe sei es dann, – neben der reinen Beratungstätigkeit – die Frauen dabei zu unterstützen, die eigenen Stärken wieder sicht- und spürbar zu machen.

Wie oft die Frauen Vogts Hilfe suchen, ist ganz unterschiedlich. „Manche kommen nur ein- oder zweimal, andere durchaus öfter.“ Neben den Opfern von Gewalt gibt es Betroffene, die Fragen zum Sorgerecht für ihre Kinder haben, andere befinden sich in finanzieller Abhängigkeit vom Partner oder suchen Hilfe nach einer Trennung. Manchmal geht es auch schlicht nur darum, sozialen Anschluss in der Stadt zu finden, oder um Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen.

Zu Vogts Aufgaben gehört auch Präventionsarbeit. Kurse, zum Beispiel zur Selbstverteidigung, sollen das Angebotsspektrum noch breiter machen. Doch allein kann die 63-Jährige all das kaum leisten. Ihr großer Wunsch ist daher eine personelle Verstärkung in der Beratungsstelle. „Wir merken, dass der Bedarf sehr hoch ist, sodass andere Aufgaben nicht abgedeckt werden können“, sagt sie. Eine Urlaubsvertretung ist ein weiterer Wunsch: „Es ist wichtig, dass immer jemand da ist für die Frauen.“

Doch das Geld dafür fehlt. Finanziert wird die Beratungsstelle grundsätzlich unbefristet von der Region Hannover und der Stadt Barsinghausen mit jeweils rund 29.000 Euro pro Jahr. Für das Jahr 2025 gab es wegen Kostensteigerungen nun eine Erhöhung auf 38.000 Euro. Doch eine zweite Stelle lässt sich mit dieser Summe nicht finanzieren.

Gleichwohl lobt Krüger das Engagement und die Zusammenarbeit mit Stadt und Region. Sie sagt: „Der Wille ist in jedem Fall da, die Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.“.

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