Das HAG ebnete ihnen den Weg zu einer mustergültigen Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt – von der Flucht aus der Heimat über einen Schulabschluss bis zum Studium. „Am Anfang war es richtig schwer, Deutsch zu lernen“, erinnert sich der 25-jährige Husseyni. Er steht kurz vor dem Abschluss einer Ausbildung zum Pflegefachmann und absolviert ausbildungsbegleitend an der Hochschule Hannover ein Studium für Pflegemanagement. „Ich kann mich glücklich schätzen, dass mir am HAG in einer Sprachlernklasse der Weg bereitet wurde“, sagt der Mann mit Wohnsitz in Barsinghausens Kernstadt in nahezu perfektem Deutsch.
Husseyni ist auf Einladung des Gymnasiums zum ersten Treffen von zwei früheren Sprachlernklassen gekommen. Die Idee dazu habe Deutschlehrer Söhnke Post gehabt, berichtet Schulleiterin Silvia Bethe. Zu dem Fachobmann für Deutsch als Zweitsprache und zum gesamten HAG bestehe seitens der jungen Menschen noch eine große Bindung. Auch Doris Korpjuhn aus der Schulleitung habe maßgeblichen Anteil an den erfolgreichen Eingliederungen, so Bethe.
„Wir wollen heute gemeinsam die erfolgreichen Berufsbiografien feiern und würdigen, dass sich unsere früheren Schüler so toll in Deutschland einbringen“, sagt die HAG-Leiterin bei dem Treffen. Insgesamt sind dazu rund 20 Geflüchtete aus Afghanistan, Syrien, dem Iran und dem Irak gekommen.
Deutschlehrer Post hebt hervor, dass Husseyni am HAG nicht nur das Abitur gemacht, sondern in der mündlichen Deutschprüfung sogar mit 15 Punkten die Bestnote erreicht habe. Sein ehemaliger Schüler wiegelt ab: Seine Abi-Durchschnittsnote sei nur 3,7 gewesen, aber das Thema Märchen und Lyrik habe ihm in der mündlichen Prüfung eben gelegen.
Ein danach begonnenes Studium der Wirtschaftswissenschaften brach Husseyni wieder ab. „Das war zu trocken und langweilig“, sagt er. Seine Ausbildung zum Pflegefachmann bei einem ambulanten Pflegedienst in Barsinghausen werde er aber in Kürze abschließen und danach auch sein Pflegemanagementstudium. „Später möchte ich einen eigenen Pflegedienst gründen“, sagt der 25-Jährige.
Beachtlich sind auch weitere Werdegänge aus den früheren Sprachlernklassen. „Die jungen Leute machen heute Ausbildungen, studieren, sind als Ingenieure und im Bereich Pharmazie tätig – teilweise als Führungskräfte“, berichtet HAG-Leiterin Bethe. Dabei seien sie einst als Kinder, unbegleitete Jugendliche oder junge Erwachsene ohne Deutschkenntnisse in der Bundesrepublik angekommen. „Viele haben trotzdem bei uns das Abitur geschafft“, so die Schulleiterin. Kollege Post habe sie auch zu Ämtern und möglichen Arbeitgebern begleitet. „Heute sind es Menschen, die dankbar sind, dass sie in unserer Gesellschaft leben und viel zurückgeben können“, sagt Bethe.
Husseyni kam im Alter von 16 Jahren in einer Unterkunft in Großgoltern als unbegleiteter Jugendlicher an. Nach etwa eineinhalb Jahren in einer Sprachlernklasse – mit täglich sechs Stunden Deutschunterricht – hatte er das Sprachniveau erreicht, um in den Regelunterricht einer gewöhnlichen Klasse integriert zu werden.
Für das HAG stand während der ersten Flüchtlingswelle schnell fest, bei der Landesschulbehörde die Einrichtung der ersten Sprachlernklassen zu beantragen. „Wir waren uns im Kollegium schnell einig und hatten auch ehrenamtliche Unterstützung von Eltern und Schülerpaten“, sagt Schulleiterin Bethe. Es habe sich schnell abgezeichnet, dass im Rahmen der Stundenzuweisungen für die Lehrkräfte genügend Kapazitäten vorhanden seien, um einen Beitrag zur Sprachförderung und Integration zu leisten.
Der 24-jährige Buraq Kirkler kam im Jahr 2016 ebenfalls als 16-Jähriger aus Afghanistan in Barsinghausen an. Nach etwa eineinhalb Jahren in einer Sprachlernklasse besuchte er den Regelunterricht und verließ das HAG nach der zehnten Klasse mit dem erweiterten Realschulabschluss. Im Jahr 2021 habe er eine dreijährige Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann im Bereich Sanitär- und Heizungstechnik abgeschlossen, berichtet er. Während der Ausbildung habe er abends sein Fachabitur gemacht. „Zurzeit absolviere ich ein berufsbegleitendes Bachelor-Studium für Management und Digitalisierung“, sagt Kirkler, der jetzt in Wunstorf wohnt. Inzwischen sei er bei Amazon in Wunstorf als Teamleiter für Logistik tätig.
Im nächsten Jahr sollen Kirkler und Husseyni beide die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.