„Wir alle haben menschliches Blut“
Die Gehrdener Autorin und gebürtige Afghanin Trina Mansoor ruft zu mehr Zusammenhalt auf

Eigene Fluchtgeschichte: In ihrem Buch „Wüstenrose“ erzählt die Gehrdener Autorin Trina Mansoor von ihrer Flucht aus Afghanistan. Foto: Ingo Rodriguez
Gehrden. „Ich habe hier in Gehrden immer sehr viel Liebe und Empathie empfangen. Aber die Stimmung untereinander ist gekippt“, erzählt die Autorin Trina Mansoor bei einem Treffen. „Die Menschen hören sich einfach nicht mehr zu.“

Mansoor hat afghanische Wurzeln. Mit sieben Jahren ist die heute 35-Jährige mithilfe einer Hilfsorganisation in die Niederlande geflohen – seit 15 Jahren lebt sie in Deutschland. „Es stört mich sehr, dass wir so eine krasse Spaltung erleben, selbst in einer so kleinen Stadt wie Gehrden.“

Ob zwischen guten Bekanntschaften oder auf offener Straße, überall seien Spannungen und in Teilen Anfeindungen zu spüren, so Mansoor weiter. Der Höhepunkt bildete für sie aber eine Busfahrt, die ihr zwölfjähriger Sohn erleben musste. „Er kam nach Hause und erzählte mir von einer älteren Dame, die ihn im Bus gefragt hat: ‚Was suchst du hier? Du kommst nicht hierher, du bist kein Deutscher.‘“ Das habe sie in Gehrden in all den Jahren noch nicht erlebt. „Da musste ich erst mal schlucken“, sagt sie.

Doch woher kommt dieser Wandel in der Bevölkerung? Die Autorin glaubt: „In schwierigen Zeiten suchen die Menschen sich immer einen Schuldigen.“ Die Anschläge in München, Aschaffenburg oder in Magdeburg verurteile sie auf das Schärfste, doch wegen der Hintergründe der Täter dürften nicht alle Menschen mit Migrationshintergrund unter Generalverdacht gestellt werden, betont die 35-Jährige.

Sie selbst habe das erlebt: „Ich war auf dem Markt und wollte mein neues Buch präsentieren. Da wurde ich gefragt, wo ich herkomme. Ich sage dann immer aus Gehrden.“ Doch dann wolle man wissen, wo sie „ursprünglich“ herkomme. „Die Menschen verlangen eine Antwort darauf, und wenn ich dann sage, aus Afghanistan, spürt man direkt eine Art Angst.“

Immer häufiger komme das Gefühl auf, man müsse sich für die Taten seiner „Landsmänner“ entschuldigen. Es sei schlimm, dass nach dem Anschlag in Aschaffenburg ein afghanisches Mädchen während einer Trauerveranstaltung auf eine Bühne gegangen ist, um genau das zu tun: Die zwölfjährige Fatima entschuldigte sich unter Tränen bei der Mutter des getöteten Jungen.

Mansoor kennt das Gefühl des jungen Mädchens. „Man fühlt sich gezwungen, ein Statement abzugeben.“ Auch sie habe das deshalb schließlich bei Instagram getan. Dort betont sie: „Bevor wir also erneut laut ‚Abschiebung!‘ rufen, sollten wir uns erst fragen, wo die wahren Lücken liegen!“ Diese sieht sie in den „patriarchalen Strukturen“ – auch in Deutschland.

Trina Mansoor ist überzeugt: „Liebe empfindet man, Hass lernt man.“ Hass und Hetze dürfe nicht zugelassen werden. Um dem entgegenzusteuern, wünscht sie sich, dass „man wieder mehr miteinander redet“. Weiter führt sie aus: „Es kann nicht sein, dass eine Person immer recht hat, aber zuhören und reden ist eine sehr wichtige Sache, denn ohne Zuhören kann man die andere Person nicht verstehen.“

Mansoor ruft deshalb zu mehr Zusammenhalt auf. Sie wünscht sich, dass die Menschlichkeit wieder mehr im Vordergrund steht. „Wir alle haben menschliches Blut. Das ist auch etwas, was ich meinen Kindern mitgeben möchte“, sagt Mansoor. „Wir sind alle Menschen und dafür kämpfe ich.“

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