„Ich muss natürlich die Verkehrssicherheit beachten und Handwerker beauftragen, damit von dem Haus für Fußgänger keine Gefahr ausgeht“, sagt der 90-jährige Eigentümer Hans-Joachim Stock. Zuletzt habe deshalb ein Dachdecker Firststeine befestigt. „Im Moment erhalte ich das Bauwerk nur“, sagt Stock.
Um zu begründen, warum das alte Zollhaus immer mehr verfällt, er jedoch einen Abriss und Verkauf trotzdem ablehnt, blickt der Eigentümer auf die ereignisreiche Historie seines Gebäudes zurück. Das Bauwerk sei seit 1913 im Besitz seiner Familie. „Erbaut wurde es um 1825 als Zollhaus, um von den damaligen Fuhrwerken Wegegeld für den Transport von Steinkohle, Holz und Sandsteinen zu nehmen“, erzählt Stock. In den Siebzigerjahren habe ein Maler bei einer Renovierung eine Inschrift mit dem Baujahr 1822 freigelegt. „Es muss aber etwas später errichtet worden sein, nachdem die Sorsumer Straße als Transportweg gebaut wurde“, meint der Eigentümer.
Es waren seine Großeltern mütterlicherseits, das Ehepaar Kiesow, die das Gebäude im Mai 1913 vom Enkelkind des einstigen Zöllners erwarben. „Meine Großeltern hatten sich in Hannover kennengelernt und wollten nach Wennigsen ziehen, deshalb haben sie das damalige Wohnhaus der Zöllner-Familie Hühnerberg gekauft“, erzählt der 90-jährige Stock. Er selbst – geboren 1934 – sei seit dem Jahr 1944 im alten Zollhaus aufgewachsen und habe auch noch im Zweiten Weltkrieg in Wennigsen Bombenalarm miterlebt. „Damals wohnten fünf Parteien in unserem Haus“, berichtet Stock.
Bis zu seinem Studium verbrachte Stock – er ist Elektrotechniker – auch seine gesamte Jugendzeit in dem Gebäude. Im Jahr 1965 sei er in Wennigsen in eine Wohnung an der Gartenstraße gezogen, 1975 habe er neben dem alten Zollhaus sein heutiges Wohnhaus gebaut. Nach dem Tod seiner Großeltern und seiner Mutter kaufte Stock seiner Schwester deren Hälfte des gemeinsam geerbten Zollhauses ab. Seit 1986 stehe das Gebäude leer, berichtet der Eigentümer, dessen Ehefrau schon vor 30 Jahren verstarb. Nach der Übernahme der historischen Immobilie sei sein Gebäude behördlich unter Denkmalschutz gestellt worden. Stocks Mutter war es, die noch zu Lebzeiten das Dach erneuern und die Westseite neu verkleiden ließ.
Ein Grund für den bis heute andauernden Leerstand sind auch die gescheiterten Nachnutzungspläne. „Wir hatten große Sachen vor“, sagt Stock. Er habe das Zollhaus über verschiedene Modelle für kulturelle Zwecke zur Verfügung stellen wollen. Zuletzt scheiterte vor etwa zehn Jahren der Verein Die Kulturmacher mit dem Vorhaben, in dem Gebäude ein Kulturzentrum als Begegnungsstätte einzurichten. „Der Verein hatte vorher sogar mit seinen Plänen einen Ideenwettbewerb für die Nachnutzung gewonnen“, erzählt Stock. Vom Kultusministerium gab es auch Fördergeld für einen Probebetrieb in nahe liegenden Räumen an der Hirtenstraße, um das Programm zu etablieren – mit kreativen Workshops und Werkstätten sowie Filmabenden. Nur: Der Verein habe nicht die erforderlichen Fördermittel in Höhe von rund 750.000 Euro für die Restaurierung des Gebäudes zusammenbekommen. „Wegen der gestiegenen Kosten würde eine Restaurierung inzwischen aber wohl rund eine Million Euro kosten“, sagt der Eigentümer.
Auch jetzt würde Stock seine historische Immobilie weiterhin für kulturelle Zwecke zur Verfügung stellen. „Wer das Haus instandsetzt, dürfte es kostenlos für Kulturangebote nutzen“, sagt er. Ein Verkauf komme für ihn jedoch nicht infrage – erst recht nicht als Wohnhaus. Das alte Zollhaus soll sein Eigentum bleiben.
„Zu meinen Lebzeiten wird das Haus nicht in fremde Hände kommen“, betont Stock. Was später sein derzeit 56-jähriger Sohn damit vorhabe, sei dessen Sache.
Es sind Stocks Erinnerungen, die ebenfalls einen Abriss des Gebäudes ausschließen. „Trotz Denkmalschutzes dürfte ich das Zollhaus abreißen lassen – wegen der hohen Kosten für eine Sanierung“, berichtet er. Das lehnt Stock aber ab. „Es ist mein Elternhaus und für mich ein Denkmal“, betont er.
Stocks enge Verbindung zur Immobilie und seine Hoffnung auf eine Nachnutzung werden auch noch einmal deutlich, wenn der Eigentümer sagt: „Falls ich im Lotto gewinne, werde ich das Haus selbst restaurieren lassen und für kulturelle Zwecke zur Verfügung stellen.“