Krisenhelferin leistet seelischen Beistand
Im Klinikum Gehrden ist die neue Klinikseelsorgerin Anne Wirth Ansprechpartnerin für besorgte, verzweifelte und trauernde Menschen

Begleitet im Krankenhaus Menschen in Krisensituationen: Anne Wirth ist die neue Seelsorgerin im Klinikum Robert Koch Gehrden.Foto: Ingo Rodriguez
Gehrden. Todesfälle, Fehlgeburten, schockierende Krankheitsdiagnosen, Trauer und Sorgen um Angehörige, aber auch Einsamkeit und Zukunftsängste vor oder nach schweren Operationen: In einem Krankenhaus gehören Lebenskrisen und Schicksalsschläge zum Alltag. Im Klinikum Robert Koch Gehrden gehören deshalb nicht nur medizinische Behandlungen zum Standardangebot. Mit der neuen Klinikseelsorgerin Anne Wirth gibt es auch eine Ansprechpartnerin für besorgte, verzweifelte und trauernde Menschen. Die studierte Sozialarbeiterin begleitet täglich Patienten und Angehörige in Krisensituationen.

„Für Menschen in Notlagen ist es oft sehr hilfreich, wenn jemand zuhört und einen Raum schafft, um einfach einmal einige Dinge auszusprechen“, sagt Wirth. Gegenüber einem Außenstehenden sei es normal, Themen anders zu formulieren als gegenüber Nahestehenden, sagt die 45-jährige Seelsorgerin und Religionspädagogin.

Die Diakonin ist nach dem beruflichen Wechsel ihrer Vorgängerin Gunhild Junker schon seit einigen Wochen als Angestellte des evangelischen Kirchenkreises Ronnenberg im Gehrdener Krankenhaus im Einsatz. Um Menschen seelischen Beistand zu leisten, habe sie zwar ein eigenes Büro im ehemaligen Personalwohnheim des Klinikums, die Seelsorgegespräche führe sie in der Regel jedoch in den Krankenzimmern und in Besprechungsräumen der jeweiligen Stationen, sagt Wirth. Der Weg zum Büro sei einfach zu weit. „Manchmal geht es aus medizinischen Gründen auch nicht anders, als Gespräche direkt am Patientenbett zu führen“, sagt sie. Doch auch in Doppel- oder Mehrbettzimmern lasse sich seelsorgerisch ein geschützter Raum schaffen. „Wenn nicht betroffene Patienten anbieten, den Raum zu verlassen – oder sehr leise gesprochen wird.“

Durch ihre Ausbildung für „personenzentrierte Seelsorge“ weiß Wirth: „Menschen können Krisen in Begleitung leichter überwinden.“ Sie habe diese Erfahrung nicht nur in zahlreichen beruflichen Situationen gemacht, sondern auch schon selbst bei familiären Angelegenheiten das Bedürfnis gespürt, „begleitet“ zu werden. Von einem möglichen Bedarf im Gehrdener Krankenhaus erfahre sie unter anderem durch das Klinikpersonal, das sie benachrichtige.

Ein Gesprächsangebot macht die Seelsorgerin aber nicht nur bei akuten Krisen wie etwa bei Angehörigen nach Todesfällen im Klinikum oder bei Patienten nach „lebensverkürzenden Diagnosen“. Manchmal, wenn sie informiert wird, sei es „ein Bauchgefühl“ einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters, dass bei jemandem irgendetwas nicht stimmen könnte, sagt Wirth. „Ich bin aber auch im Krankenhaus präsent und gehe über die Flure.“ Im Klinikum wird außerdem auf das seelsorgerische Angebot auf Plakaten und Flyern hingewiesen.

„Manche Betroffene kommen auch selbst auf mich zu“, so die 45-Jährige. Sie werde zudem von Angehörigen gebeten, bei Patientinnen und Patienten einmal nach dem Rechten zu schauen – „oft mit dem Wunsch, nicht die Herkunft des Hinweises zu verraten“. Wirth verweist vor diesem Hintergrund auf ihre seelsorgerische Verschwiegenheitspflicht, die sogar vor Gericht Bestand habe.

Auch ältere Menschen gerieten, so Wirth, oft in Krisen, wenn sie nach einem Krankenhausaufenthalt nicht mehr zurück nach Hause können, sondern in ein Pflegeheim ziehen müssen. Eine weitere seelische Notlage mit möglichem Gesprächsbedarf: „Manchmal müssen Menschen entscheiden, ob sie besser eine sehr gefährliche Operation riskieren oder ohne OP eine kürzere Lebenszeit in Kauf nehmen.“

Eine durchschnittliche Häufigkeit ihrer Einsätze im Klinikum kann Wirth nur schwer beziffern. „Wirklich intensive Gespräche führe ich pro Woche bis zu zehnmal.“ Darunter falle jedoch nicht, einfach mal einen Patienten zu fragen, wie er mit einer Situation zurechtkomme. In manchen Fällen reiche es aus, dass einfach nur einmal eine Sache ausgesprochen werde. „Es gibt aber Fälle, in denen ich pro Woche täglich oder sogar zweimal pro Tag Gespräche mit den Betroffenen führe“, berichtet die Seelsorgerin.

Wirth ist auch gelernte Heilerziehungspflegerin, hat in Hannover studiert und wohnt mit ihrem Ehemann und zwei gemeinsamen Söhnen in Sehnde. Während ihrer Ausbildung, ihres Studiums und der bisherigen beruflichen Laufbahn sei Seelsorge schon früh ein Schwerpunkt gewesen. Für die Einsätze im Klinikum Gehrden hat sie eine halbe Stelle und wird von zehn ehrenamtlichen Seelsorgekräften des Kirchenkreises unterstützt. Die 45-Jährige ist nämlich auch noch für Einsätze im Kirchenkreis Ronnenberg als Altenheimseelsorgerin zuständig.

Die Rufumleitung ihrer Kliniktelefonnummer auf ihr Handy ist aber auch dann immer aktiviert. „Lebenskrisen ereignen sich nicht nur montags bis freitags zu den gewöhnlichen Arbeiszeiten“, betont Wirth. Nur am Abend schalte sie das Smartphone irgendwann aus und höre dann frühmorgens gleich ihre Mailbox ab.

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