Wennigsen ist mit
Hausärzten gut versorgt
Noch gibt es genug Allgemeinmediziner – die Kassenärztliche Vereinigung
sieht für die Zukunft jedoch Probleme

Versorgung: Ein Hausarzt misst in seiner Praxis einer Patientin den Blutdruck. In Wennigsen ist die medizinische Versorgung aktuell gut.Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Wennigsen. Es ist nicht nur ein Problem in ländlichen Bereichen – auch in Ballungsräumen wie der Region Hannover fehlen inzwischen Ärztinnen und Ärzte. In Wennigsen ist die Versorgung noch vergleichsweise gut. Für die Zukunft drohen aber in der Deistergemeinde Probleme.

Ob eine Versorgung gut oder schlecht ist, ob es einen Bedarf oder sogar eine Unterversorgung gibt, definiert die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN). Die KVN betrachtet bei ihrer sogenannten Bedarfsplanung aber im gesamten Bundesland nicht einzelne Stadtteile oder Ortschaften, sondern fasst benachbarte Bereiche zusammen. Wennigsen gehört zum sogenannten Mittelbereich Barsinghausen. Dazu zählen neben den beiden Kommunen noch Gehrden und Ronnenberg. „In diesem Bereich ist die Versorgung laut der Bedarfsplanung gut“, sagt Detlef Haffke, Leiter der Abteilung Kommunikation bei der KVN.

Die Bedarfsplanung ist im Sozialgesetzbuch geregelt. Daraus ergeben sich regionale Betrachtungsräume und festgelegte Zahlen für das Verhältnis Arzt und Patient. „Für niederlassungswillige Ärzte und Psychotherapeuten ist von Bedeutung, ob der für sie infrage kommende Planungsbereich offen oder gesperrt ist“, sagt Haffke. Liegt der Versorgungsgrad einer ärztlichen Fachrichtung in einem Zulassungsbezirk unter 110 Prozent, können sich dort weitere Ärzte einer Fachrichtung niederlassen. Liegt er darüber, gibt es einen Zulassungsstopp. Ärzte und Psychotherapeuten können sich dann nur niederlassen, wenn ihre Berufskolleginnen oder Kollegen ihren Sitz in der entsprechenden Fachgruppe freimachen.

Was bedeutet das für die Versorgung in Wennigsen? Im Mittelbereich Barsinghausen leben laut KVN-Statistik aktuell 89.102 Menschen. Ein Hausarzt oder eine Hausärztin soll theoretisch für 1552 Einwohner zuständig sein. „Zurzeit sind im Mittelbereich Barsinghausen 63 Hausärztinnen und Hausärzte niedergelassen“, sagt Haffke. Der Versorgungsgrad beträgt 109,8 Prozent. „Bis zur Sperrung bei 110 Prozent ist noch ein halber Hausarzt-Sitz frei und könnte ad hoc besetzt werden“, so der KVN-Sprecher.

Damit gehört der Mittelbereich Barsinghausen im Regionsvergleich jedoch zu den großen Ausnahmen. Nur drei weitere Planungsbezirke waren zuletzt (Stand November) so gut besetzt, dass sich dort kein zusätzlicher Hausarzt oder keine Hausärztin mehr niederlassen könnte: Hannover, Burgdorf mit Uetze sowie Wunstorf. Am größten ist der Mangel im Bereich Garbsen, zu dem auch Seelze gehört. Dort fehlen insgesamt vier Hausärztinnen oder Hausärzte. In Neustadt und im Planungsbereich Großburgwedel, der auch die Wedemark umfasst, könnten sich sofort zwei Allgemeinmediziner oder -medizinerinnen niederlassen.

Versorgungsgrade unter 100 Prozent zeigen einen Bedarf auf. Sinkt der Versorgungsgrad bei Hausärzten unter 75 Prozent und bei Fachärzten unter 50 Prozent, spricht die KVN von Unterversorgung. Sie muss dann dort einen Arzt etablieren, da sie den Sicherstellungsauftrag hat.

So stabil die Hausärzte-Versorgung in Wennigsen als Teil des Mittelbereichs Barsinghausen derzeit auch ist – die Zukunft sieht weniger rosig aus. „Der Altersdurchschnitt der Ärztinnen und Ärzte in der Region Hannover liegt bei 54 Jahren. In den kommenden zehn bis 15 Jahren wird ein Großteil aus dem Berufsleben ausscheiden“, sagt Haffke. Natürlich rückten auch Ärztinnen und Ärzte nach. Ob aber die Lücke geschlossen werden kann, ist wenig wahrscheinlich, sagt der KVN-Sprecher und nennt als Grund auch die Baby-Boomer-Lücke.

So wird nach Ansicht der Vereinigung die medizinische ambulante Versorgung der Bevölkerung immer schwieriger, vor allem in den Randlagen der Städte und auf dem Land. „Wenn die Politik nicht bald mehr Medizinstudienplätze schafft und vor allem die Niederlassung attraktiver macht, müssen Bürgerinnen und Bürger in Zukunft noch längere Wartezeiten und, vor allem auf dem Land, noch weitere Wege bis zur nächsten Praxis bewältigen.“

Die KVN fordert, die seit Jahrzehnten immer weiter zusammengekürzten Kapazitäten der medizinischen Fakultäten zur Sicherstellung des medizinischen Nachwuchses aufzustocken. „Hier wurde viel Zeit verschwendet und eine Gelegenheit vertan, dem drohenden und teils bereits realen Ärztemangel zu begegnen und die ambulante Versorgung mittel- und vor allem langfristig zu stärken.“ Selbst wenn ab sofort alle mehr oder minder konkret angekündigten Maßnahmen, beispielsweise mehr Studienplätze und eine Landarztquote, vollständig umgesetzt würden, „wird dies bis 2035 keine nennenswerten positiven Effekte auf die Versorgung haben. Erst nach 2035 wäre langsam mit spürbaren Effekten zu rechnen.“

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