„Die Symptome lassen sich lindern“
Nele Schumann aus Weetzen leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung.Ihren Leidensweg hat sie in einem Buch verarbeitet.

Ein Buch über ihr Leben mit einer psychischen Erkrankung: Nele Schumann aus Weetzen will für Menschen mit einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung Aufklärungsarbeit leisten. Foto: Ingo Rodriguez
Weetzen. Nele Schumann leidet unter einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Weil diese psychische Erkrankung auch heutzutage noch schwer erkannt wird, lebte sie mehr als zehn Jahre lang mit einer falschen Diagnose und Therapie. Ihren Leidensweg bis zur korrekten Einordnung und Behandlung ihrer Symptome hat die 26-Jährige jetzt in einem Buch verarbeitet.

„Symptomatisch sind die sogenannten Flashbacks, also wiederkehrende Gedankenfetzen“, sagt die 26-jährige Nele Schumann. Betroffene seien kaum in der Lage, ihre Emotionen wie Wut und Trauer zu regulieren. Auslöser für die Wesensveränderungen seien oft sogenannte Trigger wie Gerüche und Bilder. „Das ist klassisch für diese psychische Erkrankung“, beschreibt die junge Frau aus Weetzen ihre Erfahrungen.

Angefangen habe ihr Leidensweg vor mehr als zehn Jahren. Schumann ist in Barsinghausen aufgewachsen und hat an der Lisa-Tetzner-Schule ihren Realschulabschluss gemacht. „Ich musste eine Klasse wiederholen, weil ich mit 13 Jahren angefangen habe, ständig zu weinen“, erzählt sie. In den Jahren 2014 und 2015 sei sie deshalb im Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover zunächst für eine teilstationäre, später für eine vollstationäre Behandlung gewesen.

Die damalige Diagnose: „Mittelgradige Depression mit Zwangsstörung“. Regelmäßiges Weinen und Grübeln sowie zwanghafte Gedanken und zwanghaft langes Duschen hätten diese Diagnose später auch während einer weiteren ambulanten Therapie untermauert. Die Ursache: „Möglicherweise Probleme im familiären Umfeld“, beschreibt Schumann die Vermutungen der Therapeuten. Genauer wird sie nicht, sagt aber: „Ich habe mich dann wieder aufgerappelt und in Langreder eine Ausbildung zur Konditorin gemacht.“ Diesen Beruf habe sie später wegen schwerer Hüftbeschwerden aufgegeben und nach einer Zeit mit Übergangsjobs bis zum Jahr 2022 noch eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau abgeschlossen.

Rückblickend sagt die 26-Jährige: „Ich kann mir manchmal kaum erklären, wie ich es geschafft habe zu arbeiten.“ Denn: Ab dem Jahr 2019 wurden ihre psychischen Probleme schlimmer. „Ich hatte kurz zuvor meinen heutigen Lebenspartner kennengelernt“, erzählt Schumann. Plötzlich habe sie wieder begonnen, ständig zu weinen. Und: „Obwohl ich eine ruhige Person bin, hatte ich Wutanfälle – auch nachts.“ Dazugekommen sei auch noch ein auffälliges Schwarz-Weiß-Denken. „Ich fand alles nur noch total gut oder schlecht“, erzählt sie. Ihr 35-jähriger Freund stellte sie vor die Wahl: Therapie oder Trennung.

Ihre Entscheidung für eine ambulante Körpertherapie bei einer Heilpraktikerin mit psychotherapeutischer Ausbildung brachte die Wende. Diese habe ihr über den Hausarzt eine teilstationäre Therapie in einer psychosomatischen Klinik in Hannover verordnet. Dort wurde Schumann mit einer überraschenden Nachricht konfrontiert: „Nach vier Wochen wurde meine bisherige Diagnose als falsch eingestuft“, sagt die 26-Jährige. Angesichts ihrer symptomatischen Merkmale sei von einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung auszugehen. Die umgangssprachlich als „Soldatenkrankheit“ bezeichnete Erkrankung werde bei vielen Menschen oft falsch oder gar nicht diagnostiziert, sagt Schumann. Sie weiß inzwischen: „Wohlfühlfaktoren wie eine neue Liebe können die Krankheit voll ausbrechen lassen.“

Dass jüngste Einschätzung und Behandlung korrekt sind, zeigt die weitere Entwicklung. Schumann wurde vor elf Monaten entlassen, kann auf Medikamente verzichten und setzt nur ihre ambulante Körpertherapie fort. „Meine Flashbacks lösen zwar noch Traurigkeit aus“, sagt die 26-Jährige, Traumaübungen seien aber geeignet, um diese Situationen zu lösen. Und: Schumann arbeitet in Teilzeit für die Volkshochschule (VHS) Hannover-Land in Neustadt als Veranstaltungsorganisatorin mit Social-Media-Aufgaben. Seit einem Jahr wohnt sie in Weetzen.

Ihre Erlebnisse hat sie nun in einem Buch verarbeitet. Das Werk mit dem Titel „Fesseln einer Träumerin“ ist in Zusammenarbeit mit dem Buchhandelsunternehmen Thalia und dem Verlag Story One erschienen. Es ist auf verschiedenen Onlineplattformen und auf Bestellung in Buchhandlungen zum Preis von 18 Euro erhältlich.

„Ich habe in zwölf Kapiteln Facetten meiner Krankheit und betroffene Bereiche wie die Beziehung zu meinem Freund beschrieben“, sagt Schumann. Sie wolle Betroffenen Mut machen und psychisch Erkrankte dazu ermutigen, Dinge zu hinterfragen, um sich einen langen Weg zur richtigen Diagnose zu ersparen. Denn: Ihre speziale Erkrankung komme von außen und sei nicht genetisch. „Die Symptome lassen sich lindern“, versichert die Jungautorin. Es habe auch ihr selbst geholfen, das Buch eines Betroffenen zu lesen.

Schumann arbeitet schon an ihrem zweiten Buch und will künftig in den sozialen Medien Aufklärungsarbeit leisten. „Ich möchte die Wahrnehmungen der Menschen schärfen“, sagt sie.

Druckansicht