Ob sie ein unbequemer Mensch sei, wenn es darum geht, für eine Sache einzutreten? Bei der Frage muss Borrmann kurz überlegen. „Ja, das kann man so sagen“, gibt sie schließlich mit einem Schmunzeln zu. Man könnte sie auch als beharrlich oder hartnäckig beschreiben. Erfolgreich war die Wennigserin jedenfalls allemal damit, die wichtigen Dinge auf ihre Art anzupacken.
Das fing schon vor 40 Jahren an. Gemeinsam mit vier anderen Müttern startete Borrmann an der Grundschule Wennigsen eine Hausaufgabenhilfe. Fünf Frauen, verteilt auf fünf Wochentage – ein pragmatisches Angebot ohne Bürokratie. Noch im selben Jahr gründete sich der Förder- und Freundeskreis der Grundschule, den Borrmann bis 1993 als Vorsitzende führte. Und 1986 öffnete der erste Kinderhort der Gemeinde in Wennigsen seine Türen – eine heute für viele Eltern unverzichtbare Einrichtung, die entscheidend auf Borrmanns Wirken zurückgeht.
Auch in der Arbeit mit Geflüchteten ging die Wennigserin schon früh vorneweg. 1985 wirkte sie bei der Gründung des Arbeitskreises Asyl mit, initiierte wöchentliche Treffen in der evangelischen Kirchengemeinde und unterstützte die Geflüchteten bei Behördengängen und Sprachkursen. Mit ihrem Ansporn, Menschen unter anderem aus dem Libanon und Afghanistan zu integrieren, machte sie sich anfangs im gutbürgerlichen Wennigsen nicht nur Freunde. Sie habe aber auch große Unterstützung aus der Bevölkerung erhalten, wie sie betont.
Zur heutigen Flüchtlingsdebatte zwischen Integration und der Ausweisung von Straftätern hat die 74-Jährige eine klare Meinung. „Die Probleme sind vielschichtig. Aber wir müssen aufpassen, dass wir darüber das Grundrecht auf Asyl nicht kaputtmachen. Manche Leute kapieren anscheinend nicht, dass es Menschen gibt, die nur um ihr Leben und das ihrer Kinder kämpfen“, stellt sie klar.
Sich um Menschen zu kümmern, denen es schlechter geht – dieser Gedanke sei ihr schon als Kind in einem christlichen Elternhaus vorgelebt worden. „Später habe ich festgestellt, dass unser wunderbares Grundgesetz die christlichen Werte vereint. Das macht einen verantwortlich für die Gesellschaft, in der man wohnt und wohnen darf“, erklärt die Preisträgerin.
Einen Beitrag zur Völkerverständigung leistete Borrmann, als sie 1998 die Städtepartnerschaft zwischen Wennigsen und der Gemeinde Forges-les-Eaux in Frankreich initiierte. Den Vorsitz des dafür gegründeten Fördervereins hatte sie von 1998 bis 2002 inne, kümmerte sich maßgeblich um die Organisation diverser Veranstaltungen und Schulaustausche. „Dass die Partnerschaft bis heute aktiv ist, erfüllt mich mit Freude“, sagt Borrmann.
Auch um den Wasserpark Wennigsen hat sich die Juristin verdient gemacht. Mit der Gründung des privaten Trägervereins und des Fördervereins 1997 verhinderte Borrmann mit weiteren Wennigserinnen und Wennigsern, dass das damals noch kommunale Schwimmbad an einen Investor ging. „Der wollte daraus ein Spaßbad machen, aber das wollten wir nicht“, erinnert sich Borrmann und nennt die Gründe: „Solche Spaßbäder haben ganz andere Eintrittspreise. Wir wollten nicht, dass dort nur Kinder wohl verdienender Eltern schwimmen können.“
Später verhinderte der Verein außerdem ein zwischen dem Schwimmbad und der Hülsebrinkstraße geplantes Baugebiet – „weil wir das Naturambiente um das Bad erhalten wollten“, so die Wennigserin. Nach dem Umbau des Freibades in ein Naturbad im Jahr 1998 begleitete sie auch den Um- und Neubau des Außengeländes 2020.
Ihr anfangs rein privates Engagement verband Borrmann später mit politischer Verantwortung. 1992 trat sie der SPD bei und zog 1996 in den Gemeinderat ein, dem sie drei Wahlperioden angehörte.
Von 2001 bis 2006 war sie ehrenamtliche Bürgermeisterin der Gemeinde, von 2006 bis zum Ausscheiden 2011 Ratsvorsitzende.
Im Bürgersaal des Rathauses, in dem sie so viele Jahre um Beschlüsse gerungen hat, wurde ihr nun auch das Bundesverdienstkreuz verliehen. Ein Novum für die Region Hannover, die ihre Preisträgerinnen und Preisträger sonst immer im Regionshaus der Landeshauptstadt auszeichnet. „Das war mein Wunsch. Toll, dass die Region das möglich gemacht hat“, freut sich die Wennigserin.
In seiner Rede bedankt sich Bürgermeister Ingo Klokemann (SPD) bei der 74-Jährigen für ihr Engagement „Damit hat sie das politische und gesellschaftliche Leben in unserer Gemeinde bereichert und maßgeblich mitgeprägt“, betont er. Ihr Wirken sei ein Beweis dafür, „was einzelne Personen mit Beharrlichkeit, Mut und Herz bewegen können“. Somit symbolisiere das Verdienstkreuz nicht nur die Anerkennung für Ihre Leistungen, „sondern auch die Dankbarkeit einer Gemeinschaft, die durch Ihr Engagement ein Stück besser geworden ist“.
Auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch und Regionspräsident Steffen Krach (SPD) honorieren bei der Veranstaltung die Leistungen der Preisträgerin. Borrmann selbst zeigt sich als Teamplayerin. Ihre Rede nimmt sie zum Anlass, namentlich die Menschen zu würdigen, die sie bei ihrer Arbeit unterstützt haben. „Ohne sie hätte ich das nicht geschafft. Deshalb nehme ich die Auszeichnung auch stellvertretend für sie an“, betont sie. Ihrem Ehemann dankte sie schließlich „für 40 Jahre gelebte Geduld und Unterstützung“.
Auch in Zukunft will sich die 74-Jährige für die Gemeinde einsetzen, insbesondere im sozialen Bereich. Das Thema Kindeswohl treibt sie weiterhin um – beruflich als weiterhin praktizierende Anwältin für Familienrecht, aber eben auch privat als engagierte Bürgerin. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt sie.
Einen parteiübergreifenden Seitenhieb in Richtung Landes- und Bundespolitik kann sie sich nicht verkneifen. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass unsere Politiker für das Grundgesetz eine Lesehilfe brauchen“, sagt sie und meint damit besonders Artikel sechs, der den Schutz der Familie und die Chancengleichheit von Kindern garantiert. „Kinder sind unsere Staatsbürger von morgen. Wenn wir wollen, dass sie unsere Demokratie fortführen, müssen wir etwas dafür tun. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen.“