Neue Aufgabe in der alten Heimat
Joachim Lotz ist neuer Direktor des Amtsgerichts Wennigsen

Wechsel am Amtsgericht Wennigsen: Der neue Direktor Joachim Lotz (links) mit Stefanie Otte, Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle und seinem Vorgänger Michael Gerdes.Foto: André Pichiri
Wennigsen. So gute Stimmung wie an diesem Freitagvormittag herrscht im großen Sitzungssaal des Amtsgerichts Wennigsen nur selten. Wo normalerweise Strafsachen verhandelt werden oder Paare um Scheidung, Sorgerecht und Unterhalt streiten, gab es Klaviermusik, Gesangseinlagen und intensive Beifallsbekundungen. Letztere galten vor allem einem Mann. Joachim Lotz, der als Direktor bereits seit einigen Monaten die Geschicke des Gerichts leitet, wurde nun auch offiziell ins Amt eingeführt. Der Wechsel vom Landgericht Hannover in die kleine Deistergemeinde ist für den 51-jährigen Juristen zugleich eine Rückkehr zu den privaten Wurzeln.

Lotz‘ Vorgänger, Michael Gerdes, hat in seiner zehnjährigen Amtszeit mehr als 4000 Verfahren bearbeitet. Eine eindrucksvolle Bilanz, die zugleich von einer hohen Arbeitsbelastung unter schwierigen Bedingungen zeuge, unterstrich Stefanie Otte, Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle, in ihrer Festrede. Auch der Justiz macht der Fachkräftemangel zu schaffen, und das Wennigser Amtsgericht bildet da keine Ausnahme. Bürgerinnen und Bürger bekommen das schon seit einiger Zeit in Form von langen Bearbeitungszeiten für Grundbuch- und Nachlassangelegenheiten zu spüren.

Als neuer Direktor will sich Joachim Lotz dieser Herausforderung stellen. „Eine neue, aber auch positive Herausforderung“, wie er sagt. Es fehle an Personal, spricht er das Problem offen an. Die Umstellung auf die digitale Akte, die an Niedersachsens Gerichten bis Ende 2025 abgeschlossen sein müsse, komme erschwerend hinzu.

Gleichzeitig habe er in Wennigsen aber auch „ein tolles Team von Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern, das einen starken Zusammenhalt zeigt“. So viel könne er nach den ersten Monaten jedenfalls sagen. „Ich habe meinen Wechsel nicht bereut. Auch wenn das die Kollegen in Hannover vielleicht nicht so gern hören.“

Am Landgericht habe man Lotz nur ungern ziehen lassen, wie Landgerichtspräsident Ralph Guise-Rübe bei der Amtseinführung betont. Als Vorsitzender einer großen Strafkammer bewies der 51-Jährige schon dort Führungskompetenz. In spektakulären Strafprozessen sprach er als Richter das Urteil, unter anderem beim Fall um die tödlichen Schüsse an der Fiedelerstraße in Hannover-Döhren oder bei einem vereitelten 16-Tonnen-Kokain-Schmuggel – dem bislang größten Drogenfund Europas. „Ich habe jetzt 22 Jahre lang nur Strafrecht gemacht. Tolle Kollegen, spannende Fälle“, blickt Lotz zurück.

Nun also der Wechsel ins ungleich ruhigere Wennigsen, wo die Arbeit als Richter und Direktor „etwas völlig anderes“ sei. Aber nein, langweilig sei es hier nicht. Neben der Möglichkeit, als Leiter eines Amtsgerichts noch mehr zu gestalten, Führungs- und Verwaltungsaufgaben zu übernehmen, reizte ihn auch die Rückkehr zu den familiären Wurzeln. Von der Einschulung bis zum Abitur lebte Lotz in Wennigsen in der Wohnsiedlung Hohes Feld. Er spielte Fußball beim TSV und verbrachte viel Zeit auf dem Bolzplatz am Abenteuerspielplatz. „Ob wir uns da auch mal begegnet sind, können unsere Erinnerungen nicht mehr aufklären“, erzählte Bürgermeister Ingo Klokemann (SPD). Durch seine Nähe zu den Menschen vor Ort sei Lotz für Wennigsen „eine wertvolle Bereicherung“.

In seiner Rede streute Lotz dann auch eine Anekdote aus seiner Kindheit in der Deistergemeinde ein. Jeden Tag sei er auf dem Weg von der Grundschule nach Hause am Amtsgericht vorbeigekommen. Das war zwar ein Umweg, lag aber auf der Route für einen Abstecher in die damalige Bäckerei Siehndel. „Da haben wir jeden Tag nach Kuchenresten gefragt“, erzählt Lotz. Später machte er im Amtsgericht ein Schülerpraktikum und kam so erstmals mit der Juristerei in Kontakt.

Mit dem neuen Job schließt sich also auch ein Kreis. „Es gibt viele Baustellen und viel zu tun. Aber ohne Herausforderung würde ich mich langweilen“, sagt der Direktor. Führungskompetenz hat er indes auch auf einem ganz anderen Terrain erlangt. Nach einem Jahr Wehrpflicht hängte Lotz bei der Bundeswehr noch zwei Jahre als Zeitsoldat dran. Heute ist er Oberstleutnant der Reserve und Einsatzstabsoffizier eines Panzerlehrbataillons in Munster. So war es dann auch kein Zufall, dass Konzertpianistin Janina Koeppen aus Gehrden zu seiner Amtseinführung „Ein bisschen Frieden“ von Nicole spielte. Der 51-Jährige hatte sich das Lied gewünscht. „Hätten wir keinen Frieden, wäre ich jetzt nicht hier“, gab der Reservist zu bedenken.

Vom Strafrecht hat sich Lotz mit dem Wechsel nach Wennigsen indes verabschiedet. Wie schon bei Vorgänger Michael Gerdes sind künftig Familiensachen sein Schwerpunkt, also unter anderem Scheidungsverfahren. Oder, wie es Lotz in seiner Rede launig beschreibt: „Die vergangenen 22 Jahre habe ich Menschen betreut, in dem ich ihnen die Freiheit genommen habe. Jetzt gebe ich Ehepartnern ihre Freiheit wieder zurück.“

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