Feuer und Flamme gegen den Stromhub
300 Menschen beteiligen sich an Protestaktion am Gehrdener Berg.Netzbetreiber Tennet lobt das Engagement.

1100 Fackeln gegen den Strom-Hub: Etwa 300 Menschen machten bei dieser Protestaktion mit.Foto: Christian Behrens
Gehrden. Mit 1100 Fackeln hat die Bürgerinitiative (BI) Gegenstrom am Gehrdener Berg gegen die mögliche Errichtung eines Mega-Stromhubs protestiert. Das Feuer steckte das 40 Hektar große Areal ab, auf dem die Anlage des Netzbetreibers Tennet entstehen könnte. Etwa 300 Menschen machten bei der Aktion bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt mit.

„Es gibt in ganz Europa kein vergleichbares Projekt wie diese Anlage“, sagte Wolfram Jerichow von der Bürgerinitiative. Gleichzeitig lobte er – wie einige andere Teilnehmer auch – die Zusammenarbeit mit Tennet. Denn der Netzbetreiber versteckt sich nicht. Auch Unternehmenssprecher Christoph Klapproth war am Freitagabend da, hörte zu, beantwortete Fragen.

Was also machte eine Aktion wie diese mit ihm? „Wir begrüßen dieses Engagement“, sagte Klapproth, der aber in der Sache keine Neuigkeiten mitgebracht hatte. Keine guten, aber immerhin auch keine schlechten: Gehrden zählt nach wie vor zu den „sechs bis acht“ Kandidaten für den Standort für das wuchtige Gleichstromdrehkreuz, das mit acht Hallen daherkommen wird, jeweils gut 25 Meter hoch. Die Ausmaße, die die Fackeln in der Dunkelheit zeichneten, waren auch tatsächlich von beeindruckender Größe – die schöne Aussicht vom Gehrdener Berg in Richtung Deister würde diesen Einschnitt sicher nicht überleben. Aber spielt das eine Rolle?

„Wir haben gewisse Kriterien bei der Standortauswahl zu beachten“, sagte Klapproth, jedoch dürften ästhetische Aspekte kein K.-o.-Kriterium sein. Die BI argumentiert deshalb lieber mit dem massiven Eingriff in den Natur- und Landschaftsschutz und der Zerstörung von fruchtbarem Boden. „Sie dürfen hier nicht mal zelten“, meint Thomas Spieker, CDU-Chef des Stadtverbands Gehrden. Das lässt sich zwar für fast jeden Flecken öffentlichen Grunds in Deutschland sagen, aber die Botschaft war angekommen. Zudem: „Wir tragen hier schon viele Lasten.“

Im Frühjahr starten etwa die Bauarbeiten für die Südlink-Stromtrasse, die zwar mit dem Stromhub nichts zu tun hat, aber ebenfalls an Gehrden vorbeiführt – wenn auch auf der anderen Seite des Berges. Zudem soll vor Redderse ein Windpark entstehen, Anlagen mit einer Höhe von bis zu 225 Meter zwischen Redderse und Degersen sind geplant. Aktuell befindet sich das Projekt in der Planungsphase. „Im Rahmen der Energiewende ist das auch nicht zu ändern“, ergänzte Spieker, wie auch die BI sich immer wieder zum notwendigen Ausbau grüner Infrastruktur bekennt.

Aber es gibt eben Grenzen. FDP-Lokalpolitiker Rudi Locher sieht „eine der schönsten Ecken in der Region“ bedroht. Aktivist Wolfgang Liese möchte die „Landschaft erhalten wissen“. Man wohne nicht ohne Grund auf dem Dorf, sagte Nele Sturm aus Redderse, und Patrizia Hagen spürte „eine Beklemmung“, wenn sie die Linie aus Fackeln abfährt: „Ich bin hier geboren, aufgewachsen und möchte auch nirgendwo anders hingehen.“

Sie sind also mit Feuer und Flamme dabei, und das nicht erst seit Freitag: Fast 1500 Männer, Frauen und Kinder hatten hier im Sommer eine Menschenkette gebildet und so das Areal umschlossen. „Wir sind alle Laien“, sagte Jerichow über das Engagement. Aber dafür eben sehr gut organisiert: Die BI teilt sich in sieben Teams auf, von der Organisation bis zur Rechtsabteilung ist an alles gedacht.

Die Bundesnetzagentur wird Anfang 2025 das neue Vorranggebiet für den Ost-West-Link veröffentlichen. Es ist keinesfalls ausgemacht, dass der Gehrdener Berg betroffen sein wird – der bislang festgelegte Präferenzraum wird erneut geprüft, weil die Trasse um zwei zusätzliche Netzverknüpfungspunkte bei Dörpen in Niedersachsen und bei Klostermansfeld in Sachsen-Anhalt erweitert werden soll. Das könnte auch die Kreuzung von Ost-West- und Nord-West-Link verschieben.

Konkreter wird es erst im Frühjahr 2025: Dann will Tennet die Unterlagen für ein Planfeststellungsverfahren einreichen – bereits mit Entwürfen und möglichen Standorten für den Bau eines Multiterminal-Hubs. Die Bekanntgabe der Standorte ist für April/Mai 2025 angedacht. Mit der endgültigen Entscheidung rechnet Tennet aber erst im übernächsten Jahr.

Klar sind aber die Kriterien für die Standortsuche: Berücksichtigt werden demnach bei der Auswahl eines Baugrundstücks für den Mega-Hub auch schützenswerte Tiere, Pflanzen, Böden und Gewässer, aber auch Belange der Bevölkerung wie etwa Abstände zur Wohnbebauung. Also all die Dinge, die die Menschen am Gehrdener Berg ins Feld führen. Beachtet werden aber auch planerische Vorgaben der Raumordnung und technische Aspekte.

Wie geht es nun weiter? Am Donnerstag, 21. November, werden Grüne und CDU im Bürgersaal im Rathaus Gehrden über den aktuellen Stand informieren. Auch hier wird Tennet-Vertreter Klapproth dabei sein, außerdem haben sich Bundestagsabgeordneter Tilman Kuban (CDU) sowie Djenabou Diallo-Hartmann, Landtagsabgeordnete für die Grünen, angekündigt. Beginn ist um 17 Uhr.
Druckansicht